Was wäre, wenn. . . Für die Zeit nach den britischen Parlamentswahlen gibt es, grob gesprochen, drei Szenarien.
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London. Heute, Donnerstag, wählen die Briten ihr neues Parlament - und die Wahl ist nicht nur für die Insel von Bedeutung. Das Resultat hat für ganz Europa Konsequenzen. Dafür sorgt der britische EU-Austritt, dessen Modalitäten von nächster Woche an verhandelt werden sollen. In London werden drei Varianten des Wahlausgangs diskutiert:
Die Tories legen deutlich zu
Theresa Mays Ziel ist es, ihre dünne Unterhaus-Mehrheit von 17 Sitzen auszubauen. Mehr als hundert weitere Mandate hat sie sich von den Neuwahlen erhofft. Sollte sie ihre Westminster-Basis tatsächlich kräftig ausbauen können, wäre May für die nächsten fünf Jahre nahezu unangreifbar. Sie könnte ihr Kabinett frei wählen und etwa Außenminister Boris Johnson den Laufpass geben. Außerdem könnte sie Großbritannien nach ihren eigenen Vorstellungen umgestalten, wie es Margaret Thatcher in den 80er Jahren tat.
Betreffend Brexit hätte sich May das Mandat erworben, auf das sie aus war - und die Anti-Brexit-Opposition im Lande ausmanövriert. Manche Beobachter halten es für möglich, dass eine starke Mehrheit May unabhängiger von ihrer eigenen Parteirechten machen würde, und sie sich bei den kommenden Austritts-Verhandlungen konzilianter zeigen könnte. Skeptischere Zeitgenossen glauben, dass May mithilfe des neugefundenen Rückhalts einen "harten Brexit", wie sie ihn angekündigt hat, rücksichtslos durchdrücken oder der EU sogar ohne Vereinbarung den Rücken kehren könnte. Die Opposition, geschwächt und ohne Einfluss, könnte dagegen nichts tun.
Theresa May siegt nur knapp
In dem Fall hätte sie ihr Wahlziel verfehlt. Im Amt würde sie in diesem Fall wahrscheinlich bleiben, aber der Respekt ihrer Partei wäre geschädigt. Mays Fehler im Wahlkampf, ihre mangelnde Überzeugungskraft, würden ihr vorgehalten. Und die nächsten Jahre über müsste sie erneut fürchten, dass Rebellen in der eigenen Fraktion ihre politischen Pläne zu blockieren suchten.
Beim Brexit würde sie, wie bisher, den Volksentscheid des Vorjahrs als Votum für scharfe Abgrenzung von der EU interpretieren. Ein noch so bescheidener Wahlsieg würde ihr als Beweis dienen, dass die Bevölkerung ihr freie Hand bei den Austritts-Verhandlungen gibt. Aus aus der Sicht Brüssels wäre ihre Autorität beschädigt. Die Wahrscheinlichkeit gelegentlicher Aufstände im Unterhaus, mit den Stimmen pro-europäischer Tories, würde steigen. Labour, Liberaldemokraten und die Schottische Nationalpartei fänden eher wieder Gehör.
Die Tories verlieren ihre Mehrheit
Bei diesem vernichtenden Resultat müsste May wohl abtreten. Sollten die Konservativen stärkste Kraft bleiben, könnten sie sich etwa mithilfe der nordirischen Unionisten an der Macht halten. Eine erneute konservativ-liberale Koalition, wie von 2010 bis 2015, ist unwahrscheinlich. Möglich ist auch ein Labour-Premierminister Jeremy Corbyn. Er würde versuchen, mithilfe der "progressiven" Parteien im Unterhaus ein entsprechendes Bündnis zu formen. Auch das wäre eine gewaltige Herausforderung.
Betreffend Brexit wäre die Lage ohne Tory-Mehrheit recht unübersichtlich. Eine Tory-Minderheits-Regierung könnte sich nicht mehr auf ein Mandat für eine bestimmte Form des Brexit berufen. Parlamentarische Grabenkämpfe würden ausbrechen. Unter der Führung von Labour sähen sich die 27 EU-Staaten einer neuen und ungewissen Situation gegenüber. Die Chance auf einen "weichen Brexit", möglicherweise mit Verbleib Großbritanniens im EU-Binnenmarkt, wie ihn Liberaldemokraten, Grüne, schottische Nationalisten und viele Labour-Abgeordnete wollen, wäre allerdings größer.
Umfrage-Werte
Laut Daily Mirror sind das die jüngsten Einschätzungen:
7. Juni:
Konservative 265-334
Labour 238-302
6. Juni:
Konservative 265-342
Labour 230-300
5. Juni:
Konservative 268-344
Labour 234-299
3. Juni:
Konservative: 265-340
Labour 230-3012
2. Juni:
Konvervative 279-346
Labour 231-286
1. Juni:
Konservative 285-353
Labour 219-285
31. Mai:
Konservative 275-344
Labour 227-289