In scheinbarer Bescheidenheit ("es sind viele Faktoren, die hier zusammenwirken") und mit vorsichtigem Optimismus ("es ist noch viel zu tun") schmücken sie sich halt doch mit dem wie aus dem nichts kommenden Aufwind, die Damen und Herren der Politik. Verräterisch sind dabei ihre Körpersprache und ihre Mimik: die Augen selbstbewusst blitzend, die Mundwinkel fast frech nach oben gezogen, das Kinn einen Hauch höher und die Handbewegungen ein wenig ruhiger und kraftvoller als vorher. Statt nervöser Leerantworten und beschwichtigender Durchhalteparolen jetzt dieses "Tja-es-waren-schon-wir-mit-unserer-klugen-Politik"-Gehabe.
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Und das Volk? Es freut sich mit! Man fühlt sich erinnert an den Tanz um ein Kalb, dessen Gold nur sehr kurz glänzt, an stereotype Dankesrituale der Urvölker, an kindliche Erleichterung über Sonnenschein nach Tagen des Regens.
Kann nur ein ständiger Miesmacher an dieser Freude herummäkeln? Ist sie nicht zutiefst liebenswert, diese Fähigkeit, im Hier und Jetzt zu leben und zu feiern, wenn sich eine Gelegenheit ergibt?
Nein: Denn dann hätten wir auch die Tage und Monate vorher jubeln müssen, weil es uns in der Krise insgesamt (im Westen) objektiv gesehen sehr gut ging.
Nein: Denn wir vergessen jenen Teil der Gesellschaft, dem es auch jetzt noch immer schlecht geht.
Und nein: Denn wir spielen damit den vielen - aufgrund unserer kurzfristigen Legislaturperioden - nur bis zur nächsten Wahl denkenden Politikern in die Hände und verhindern längst fällige, weitblickende, seriöse Entscheidungen und Maßnahmen.
Schon ein kleines quantitatives Wachstumspflänzchen lässt uns vergessen, dass wir so nicht weiter wachsen können, ohne unseren Planeten zu zerstören: Noch ungelöst sind die Probleme der Umweltzerstörung und Gesundheitsgefährdung durch fossile und atomare Energie, ungenutzt die Chancen einer echten Verteilungsungerechtigkeit, weil die "steuerschonenden" Praktiken der Konzerne und Multis und die notwendige Unterstützung sozial Schwacher weiterhin zu Lasten des alles rettenden Mittelstandes gehen, und sträflich vernachlässigt die für Kreativität und Innovation so wichtige Integration, Bildung und Forschung.
Oh, wir Narren: Unsere scheinbar allzu menschliche Fähigkeit, bei jeder Gelegenheit zu feiern, ist gar nicht lustig, sie ist vergleichbar mit der blind-fröhlichen Geschäftigkeit eines Ameisenvölkchens, das nicht erkennt, dass es gerade selbst dabei ist, die letzten Barrieren vor dem Eindringen einer Sturzflut zu beseitigen.
Statt manisch-depressiver Hektik brauchen wir daher jetzt den wahren Humor, den Witz, den Geist, der uns Aufklärung und Humanität gebracht hat, der mit weitblickender, heiterer Gelassenheit die echten Fortschritte für die Menschheit errungen hat. Denn wenn wir nicht bald den kurzsichtigen Opportunismus unseres politischen Systems durchbrechen, dann wird es halt doch stimmen: Das fehlende Glied zwischen den Affen und den Menschen sind wir.
Wolfgang Lusak ist Unternehmensberater und Lobby-Coach.