Wien hätte kein Problem mit Orange und wünscht sich schärfere Maßnahmen. Gesundheitsminister Anschober erläutert die gute Ausrichtung des österreichischen Ampelsystems und verspricht rasche gesetzliche Lösungen.
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Die Corona-Situation in Österreich wird allmählich besorgniserregend. Von Mittwoch auf Donnerstag wurden 664 neue Covid-19-Fälle gemeldet, davon kamen alleine 387 aus Wien. Insgesamt sind in Österreich 4456 Menschen in Österreich mit Sars-CoV-2 infiziert. Auch die Zahl der Menschen, die wegen Covid-19 im Spital behandelt werden, ist von 197 auf 205 angestiegen. Davon befinden sich 39 Menschen auf der Intensivstation. Das sind um drei mehr als am Vortag.
Am Donnerstagnachmittag hat die Ampel-Kommission neuerlich getagt. Am Freitag wird die Ampel zum zweiten Mal geschaltet. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat die Corona-Ampel am Donnerstag in einem Hintergrundgespräch mit zahlreichen Experten neuerlich beworben. "Wir haben eine Datenanalyse und eine Risikobewertung, wie es sie noch nie gegeben hat", sagte er. Der Minister betonte: "Die Ampel ist kein Zeugnis." Sie sei auch keine "Wunderlösung gegen die Pandemie, aber ein großer Schritt in Österreich zu evidenzbasiertem Arbeiten".
Bundeskanzler Sebastian Kurz erwartet sich von der Ampel-Kommission jedenfalls "schärfere Maßnahmen", wie es aus seinem Umfeld hieß. Nach den Beratungen der Kommission und den Gesprächen mit Vertretern der Länder am Donnerstag folgen noch die politischen Abklärungen in der Bundesregierung, ehe der Gesundheitsminister die Ampel neu stellt. Sehr gut möglich ist, dass diese nicht mehr nur zweifärbig ist, sondern sich auch Orange (das bedeutet hohes Risiko) dazumischt.
"Ich bin auch mit Orange einverstanden"
Aufhorchen ließ in diesem Zusammenhang bereits im Vorfeld Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). "Ich bin auch mit Orange einverstanden", sagte er am Donnerstag zur Nachrichtenagentur APA. Als die Ampel vergangene Woche für Wien auf Gelb gestellt wurde, kamen von ihm noch andere Töne, er sah Wien kritischer bewertet als andere Regionen. Jetzt wünscht sich Hacker sogar eine Verschärfung der Maßnahmen. So kann er sich eine umfassendere Maskenpflicht und eine stärkere Begrenzung der Personen in allgemein zugänglichen Innenräumen, aber auch für Zusammenkünfte im Freien vorstellen.
Bei Orange gilt als Sperrstunde Mitternacht
Wird die Ampel auf Orange gestellt, wird etwa die Sperrstunde auf null Uhr verlegt, die MNS-Pflicht wird ausgeweitet, Veranstaltungen in Innenräumen wären auf 250 Personen beschränkt. Wien testet Kontaktpersonen systematisch - womit auch Fälle ohne Symptome aufgedeckt werden, wie im Rathaus betont wird. Hacker beteuerte, dass er davon nicht abrücken wolle - auch wenn die Fallzahlen dann rasch sinken würden. Denn dies würde bedeuten, dass viele Infektionen unentdeckt blieben.
Chef-Epidemiologin Daniela Schmid betonte die Wichtigkeit des raschen Handelns. Sobald das Ergebnis eines Abstrichs verfügbar sei, müsse das Labor dieses innerhalb von 24 Stunden in die Datensammlung einpflegen. Und es dürfe nicht sein, dass Personen erst vier Tage später das Testergebnis erfahren. "Das ist inakzeptabel", sagte Schmid, die in Wien noch Verbesserungsbedarf sieht. "Man muss die Versorgung der Diagnostik so verbessern, dass ein Verdachtsfall innerhalb von 24 Stunden abgeklärt wird."
Bei der Wiener Gesundheitsberatung verzeichnet man unter 1450 wieder einen deutlichen Anstieg der Anrufe. So seien am Mittwoch 4304 Anrufe bei 1450 in Wien eingegangen. In der Vorwoche sei der Durchschnittswert an täglichen Anrufen bei 2400 gelegen, was aber ebenfalls bereits eine Steigerung zu den Sommermonaten gewesen sei, hieß es.
Die "Arbeitsgruppe Gesundheit und Infektionskurve", Teil der neuen Forschungsplattform "Covid-19 Future Operations", die auch die Politik bei Maßnahmen beraten hat, plädiert indes für ein flächendeckendes routinemäßiges Verdachtsfallmonitoring. Mittels Massenschnelltests (RT-Lamp-Methode) an Flughäfen oder an Ausbruchsstellen sowie in sensiblen Bereichen wie Krankenhäusern aber auch ad hoc vor Opernbesuchen könnten Schnelltests durchgeführt werden.
Neues Covid-Maßnahmengesetz soll ab Oktober gelten
Für Gesundheitsminister Anschober geht es nun darum, eine rechtliche Basis für die Maßnahmen zu schaffen. Das Ministerium will bundesweit Mindestmaßnahmen vorgeben, die regional differenziert umgesetzt werden können. Die Novelle für das Covid-19-Maßnahmengesetz soll nach der sehr kritisch ausgefallenen Begutachtung am Montag in einem überarbeiteten Entwurf vorliegen. Geplant wäre ein Beschluss im Nationalrat am 23. September und das Inkrafttreten ab 1. Oktober. Die Opposition sträubt sich aber noch.