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Papst Benedikt XVI. hat wenig zur Öffnung der katholischen Kirche beigetragen. Er hat reaktionäre Splittergruppen der Kirche rehabilitiert und keine rechte Freude an der Ökumene gehabt. Er hat jede Form der Verhütung abgelehnt, und in seinem achtjährigen Pontifikat ist der für manche lebensgefährliche Intrigenstadl des Vatikan noch unübersichtlicher geworden.
Mit seinem Rücktritt ist ihm ein Platz in der Kirchengeschichte aber nun gewiss - auch durch dessen Begründung. "Aber die Welt, die sich so schnell verändert, wird heute durch Fragen, die für das Leben des Glaubens von großer Bedeutung sind, hin- und hergeworfen", formulierte Joseph Ratzinger in seiner Rücktrittserklärung. Er sei dafür zu schwach.
Diese Größe haben nicht viele, die Welt zollt ihm dafür zu Recht - über sämtliche Grenzen hinweg - tiefen Respekt.
Ob die Kardinäle, die seinen Nachfolger wählen, diesen Respekt ebenso verdienen, sei dahingestellt. Der Papst selbst formulierte es so: "Und bitten wir (. . .) die heilige Mutter Maria, damit sie den Kardinälen bei der Wahl des neuen Papstes mit ihrer mütterlichen Güte beistehe."
Güte. Ein Wert, den viele Kardinäle in der römischen Kurie in den vergangenen Jahren vermissen ließen. "Vatileaks" im Vorjahr lieferte ein ungustiöses Bild der Intrigen. Rund um die Vatikanbank gibt es immer noch Ermittlungen wegen Korruption, Geldwäsche und Mafia-Kontakten. Die italienische Notenbank ist drauf und dran, die Geduld mit dem von außen uneinsehbaren Geldhaus zu verlieren. Verfeindete Gottesmänner, organisiert in teils obskuren Liturgiebewegungen, Ordensgemeinschaften oder Kirchenverwaltungen, traten und treten christliche Nächstenliebe mit Füßen.
Recht wahrscheinlich, dass der 85-jährige Papst auch dieser selbstzerstörerischen Wucht nichts mehr entgegenzusetzen wusste. Die weltweiten Missbrauchsfälle, auf die der Vatikan mit zähem Widerstand reagierte, sind ebenso entsetzlich.
Zum profanen Bösen kommen auch spirituelle Herausforderungen. Die Erkenntnisse der modernen Wissenschaft drängen den Gottesbegriff immer weiter zurück - viele Religionsbewegungen reagieren darauf fundamentalistisch.
Ein jüngerer, modernerer Papst soll die Richtung Roms vorgeben. Die Kardinäle wären beim Konklave gut beraten, diese Lehren aus dem mutigen Schritt von Benedikt XVI. zu ziehen.