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Blitzschnelle Winzlinge

Von Alexandra Grass

Wissen
Die Zungenlänge eines Chamäleons kann die 2,5-fache Körperlänge ausmachen.
© Corbis/Stephen Dalton

Die Schleuderzungen der Chamäleons sind noch leistungsstärker als bisher gedacht.


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Providence/Wien. Nicht nur dass sie ihre Körperfarbe der Umgebung anpassen, können Chamäleons auch noch ihre Augen unabhängig voneinander bewegen und damit sowohl Feind als auch Beute aus verschiedenen Blickwinkeln beobachten. Einmal entdeckt, haben Insekten, Frösche und Käfer kaum noch Chancen zu entkommen. Denn eine weitere spezielle Fähigkeit macht Chamäleons zu besonders erfolgreichen Jägern. Ihre Zungen sind nicht nur sehr lang und klebrig, sondern auch blitzschnell. Wie Geschosse feuern die Tiere ihre Zungen auf die Beute ab und packen diese mit einem speziellen Greifmechanismus.

Besonders leistungsstark sind die kleinsten Vertreter der Art, wie ein US-Wissenschafterteam nun im Fachblatt "Scientific Report" berichtet. So manche Winzlinge können ihre Schleuderzungen mit einer Beschleunigung von 0 auf 100 Kilometer pro Stunde in einer hundertstel Sekunde ausfahren. Damit sind sie noch leistungsstärker als bisher gedacht.

Rekordverdächtig

Den Forschern war zwar bekannt, dass die in den Muskeln gespeicherte Energie die Zunge stark beschleunigen kann, doch wurden in der Vergangenheit nur die größeren Arten untersucht und damit das Ausmaß dieser Fähigkeit übersehen, wie die Wissenschafter um Christopher Anderson vom Department of Ecology and Evolutionary Biology der Brown University in Providence betonen.

Die Forscher untersuchten 20 Chamäleonarten aus allen Größenordnungen und filmten deren Beuteangriff mit einer Hochgeschwindigkeitskamera mit 3000 Bildern pro Sekunde. Die Daten brachten Erstaunliches zum Vorschein: Je kleiner das Tier, desto höher sind Beschleunigung und Schlagkraft der Zunge im Vergleich zur Körpergröße.

Das Stachel-Zwergchamäleon, das nur knapp zehn Zentimeter lang ist, schleudert seine Zunge, die ausgefahren das 2,5-Fache der Körperlänge misst, mit 264-facher Erdbeschleunigung aus seinem Maul, wie die Daten zeigen. Hingegen erreicht das bis zu 70 Zentimeter große Riesenchamäleon nur etwa 18 Prozent der Beschleunigungsleistung des kleinen Verwandten.

Andersons Recherche in der Fachliteratur hat ergeben, dass die Zunge des untersuchten Winzlings im Vergleich mit den bekannten Körperfunktionen von Reptilien, Vögeln und Säugetieren, die größte Beschleunigung aufweist.

"Die Resultate machen physikalisch und evolutionär gesehen Sinn", betont der Wissenschafter. Alle Chamäleons besitzen eine katapultartige Apparatur, um ihre Zunge in Richtung Beute abzuschießen. Doch proportional zu ihrer Körpergröße fällt diese bei kleinen Tieren größer aus. Anderson vergleicht sie mit kleinen, besonders leistungsstarken Sportflitzern. Außerdem benötigen die Winzlinge zum Überleben mehr Energie im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht als ihre größeren Verwandten. Sie schleudern ihre Zungen besonders schnell und weit, um möglichst wenige Fehlversuche einstecken zu müssen und demnach genug Nahrung aufnehmen zu können.

Um tierische Höchstleistungen erkennen zu können, rät Anderson daher seinen Wissenschaftskollegen, eher auf die Kleinen zu schauen.