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Blockstarre

Von Alexander Dworzak

Analysen

Analyse: Das Scheitern von Schwedens rot-grüner Minderheitsregierung ist auch eine Niederlage für die bürgerlichen Kräfte. Denn die rechten Schwedendemokraten werden wohl weiter zulegen.


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Stockholm/Wien. Nur 60 Tage liegen für den schwedischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven zwischen Siegestaumel und Absturz. Am 3. Oktober wurde der Sozialdemokrat als Premier angelobt, nachdem der bisherige Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt mit seiner bürgerlichen Vier-Parteien-Regierung bei der Wahl im September eine Schlappe erlitten hatte. Acht Jahre einer Mitte-Rechts-Koalition fanden damit ein Ende, im seit 1945 vorwiegend links regierten Schweden geben wieder Sozialdemokraten den Ton an, so der Tenor. Doch weit gefehlt: Löfven und sein grüner Koalitionspartner stehen zwei Monate nach Amtsantritt vor den Trümmern ihrer Minderheitsregierung.

Anlass dazu ist der von der Regierung vorgelegte Budgetentwurf, er fand am Mittwoch keine Mehrheit. 153 Ja-Stimmen reichten nicht, 182 Abgeordnete stimmten dagegen. Löfven zog die Konsequenzen und erklärte daraufhin Neuwahlen für den 22. März 2015. Nur ein Premier regierte Schweden kürzer, 1932 amtierte Felix Hamrin 49 Tage.

Ob Löfven im März erneut als Spitzenkandidat der Sozialdemokraten antreten wird, ist noch offen. Kritiker warfen dem Gewerkschafter, der erst spät in die Spitzenpolitik einstieg, stets Naivität vor. Von Anfang an stand sein rot-grünes Projekt auf wackligen Beinen. Nur 37,9 Prozent der Stimmen errangen beide Parteien gemeinsam bei der Wahl im September, das entsprach 138 von 349 Sitzen im Reichstag. Die Linkspartei votierte beim Budget zwar mit der Regierung, ihre Mandate reichten aber nicht. Löfven hätte also entweder die Stimmen (von Teilen) der früheren Vier-Parteien-Regierung, der sogenannten Allianz, oder der rechtspopulistischen Schwedendemokraten gebraucht.

Erste vorgezogene Wahl seit dem Jahr 1958

Anders als im benachbarten Norwegen, wo Wahltermine alle vier Jahre fix festgelegt sind und Minderheitsregierungen gut funktionieren, da die Droh- und Erpressungskulisse vorgezogener Wahlen fehlt, stehen parlamentarische Minoritäten in Schweden leichter auf der Kippe. Verfügt eine Koalition über eine Mehrheit, erweist sie sich in der Regel als stabil. Seit 1958 hat Schweden keine vorgezogene Wahl mehr erlebt.

Die bürgerliche Opposition brachte diesmal - wie in Schweden üblich - einen eigenen Budgetentwurf ein. "Es ist nicht die Aufgabe der Opposition, einen linken Etat zu unterstützen", entgegnete Anna Kinberg Batra, Fraktionschefin der konservativen Moderaterna auf das Flehen der Sozialdemokraten nach Zusammenarbeit. "Eine funktionierende Regierung braucht blocküberschreitende Zusammenarbeit - oder man tanzt nach der Pfeife der Schwedendemokraten", wetterte die sozialdemokratische Finanzministerin Magdalena Andersson.

Die Rechtspopulisten mit rechtsextremer Vergangenheit und verbalen Ausfällen bis heute waren der große Gewinner der Wahl im September, stiegen in der Wählergunst auf 12,9 Prozent nach 5,7 Prozent 2010. Mit 49 Mandaten ist die Partei das Zünglein an der Waage zwischen den Blöcken. Diese Position wollte man nun ausnutzen, um von Lövfen eine stark begrenzte Zuwanderung einzufordern. Das Land hat die meisten Asylbewerber pro Einwohner in der EU, kommendes Jahr werden 100.000 Flüchtlinge erwartet. Die Regierung will alle Asylsuchenden aus Syrien aufnehmen; für die Schwedendemokraten ein Unding. Sie fordern um 90 Prozent weniger Asylbewerber im Land.

Lövfen hatte klargemacht, dass seine Regierung lieber untergeht, als unter diesen Bedingungen auf die Unterstützung der Schwedendemokraten zu zählen. Diese wollten ohnehin nicht der Linken helfen, haben bereits im Vorfeld der Abstimmung im Parlament erklärt, dass sie für den Budgetentwurf von Mitte-Rechts votieren.

Rechtspopulisten rufen nach "Referendum um Immigration"

Den Schwedendemokraten kommen die vorgezogene Neuwahlen zupass, sie hoffen auf noch mehr Stimmen als beim letzten Mal. Gleich am Mittwoch gaben sie die Parole für ihren Wahlkampf aus: Zum "Referendum über Immigration" rief der interimistische Chef Mattias Karlsson auf. Auf ihren Chef Jimmie Akesson muss die Partei derzeit verzichten, er ist nach einem Burn-out rekonvaleszent. Karlsson brandmarkt inzwischen in gewohnter Manier die "undemokratische" Ausgrenzung der Rechtspopulisten.

Linke und Bürgerliche streifen aus demokratiepolitisch guten Gründen bis heute nicht an den Schwedendemokraten an. Sie vermeiden aber nicht nur die Zusammenarbeit, sondern auch die offene Konfrontation mit den Thesen der Schwedendemokraten - und stärken diese damit seit Jahren.

Auch haben sich Rot-Grün und Allianz nicht aus der Blockbildung der vergangenen Jahre gelöst. Bereits im Wahlkampf umgarnte Löfven zwei kleine Partner der Bürgerlichen, Zentrumspartei und Liberale Volkspartei. Beide blieben auch nach der verlorenen Wahl der konservativen Moderaterna treu und stemmten sich gegen eine Budget-Zusammenarbeit mit Sozialdemokraten und Grünen. Jener Moderaterna, die selbst de facto führungslos ist, da sich deren bestimmender Kopf der vergangenen Jahre, Ex-Premier Reinfeldt, aus der Politik zurückziehen will. Reinfeldts Abschied wäre ein guter Startpunkt für eine neue Zusammenarbeit der konstruktiven Parteien.