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"Contra" · so heißt seit Jahr und Tag das Kabarettmagazin in Ö1 am Sonntagabend. Aber ob das noch der richtige Name ist? Vorgestern kamen mir einige Zweifel. Denn Joesi Prokopetz und Karl
Ferdinand Kratzl, die in der Sendung vorgestellt wurden, unterscheiden sich zwar in Vielem voneinander · Eines aber haben sie gemeinsam: die gesellschaftskritische "Contra"-Position, die das Kabarett
in früheren Jahrzehnten pflegte, haben sie aufgegeben.
Das bedeutet nicht, dass sich die Beiden jetzt "pro" irgend etwas äußern würden. Sie verzichten lediglich auf die Durchblickerpose, die der politischen Kleinkunst älteren Stils einen gewissen
rechthaberischen Zug verlieh. Statt dessen überlassen sie sich lustvoll den vielen Irrsinnsphänomenen, die das Alltagsleben so bereithält. Wenn man sie ein bisschen anschaulich übertreibt, ist man
auf einem zeitgemäßen Weg zum guten Kabarettprogramm.
In diesem Sinne trat Kratzl z. B. in der Rolle eines Blödelberaters im städtischen Altersheim auf: in einer haarsträubenden Sprachmixtur aus therapeutischen Modefloskeln, pseudogemütlichen
Dialektbrocken und zynischen Ausrutschern erklärte er, warum es für Senioren nichts Wertvolles geben könne als den Blödsinn. Der Auftritt war zum Weinen lustig. Eine brauchbare Moral ließ sich aus
der Geschichte aber nicht gewinnen. Doch wäre das auch zuviel verlangt. Denn, so Kratzl: "Ich kann euch nichts mitgeben als meine eigene Ratlosigkeit."