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Blondinen bevorzugt

Von Manuela Hahofer

Reflexionen

"Blonds have more fun" lautet ein Sprichwort. Doch stimmt das wirklich? Was macht Blondinen so attraktiv für ihre Umwelt? Und stimmt es tatsächlich, dass echte Blondinen vom Aussterben bedroht sind?


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Generell muss man sagen, dass Haare seit jeher eine gewisse Macht signalisieren und Attraktion auf uns Menschen ausüben. Schöne Haare geben uns größeres Selbstbewusstsein. Es gilt als Strafe, wenn man kahl geschoren wird. Schon die Indianer nahmen den Skalp ihrer Feinde als Trophäe, um damit zu demonstrieren, dass sie diese endgültig besiegt hatten. Lange Haare bei Frauen gelten als sexy, erotisch - Männer fühlen sich davon fast magisch angezogen. Wenn die Haare dann auch noch blond sind, wird die Magie verdoppelt.

Begehrte Haarfarbe. Und das ist nicht nur in unserer Zeit so. Sogar die alten Ägypter wollten blond sein. "Man weiß heute, dass Nofretete sich die Haare mit Goldstaub heller färbte", erzählt der österreichische Soziologe und Kulturanthropologe Roland Girtler. "Und bei den alten Griechen wurde blond mit einer Gottheit gleichgesetzt", weiß Girtler weiter. Feine Damen flochten in ihr dunkles Haar blonde Locken, die zuvor Sklavinnen abgeschnitten wurden. In der Renaissance war Venedig das Mekka der Schönen. Während Botticelli um 1485 die blonde Venus malte, trugen edle, reiche Venezianerinnen halb offene Hüte, um ihre Haare von der Sonne bleichen zu lassen. Um blonde Haare zu bekommen, war man damals nicht zimperlich: Hilfsmittel waren Kräuteressenzen, Taubenmist oder gar Pferde-Urin.

Im Kino vergötterte man Blonde schon in den Schwarz-Weiß-Filmen. Damals wirkten die hellen Haare auf der Leinwand silbern-überirdisch. Die kühle Marlene Dietrich feierte in den 1930ern Erfolge. Marilyn Monroe verkörperte das Klischee des dummen Blondchens in den 1950ern. In den 1960ern lockte eine anderer Blondine: Brigitte Bardot. Dann kam die unnahbare Catherine Deneuve, ein blonder französischer Kinotraum - paradox: die Belle de jour ist eigentlich brünett. Sie ließ sich mit 17 Jahren die Haare bleichen, um die Aufmerksamkeit ihrer Jugendliebe zu erwecken - und eroberte damit fast die gesamte Männerwelt.

Viele Klischees. Blond ist mit vielen Klischees behaftet: Blonde Frauen sind anschmiegsamer, lieber, sanfter, aber auch dümmer. Und im Märchen sind die Prinzessinnen immer blond, die bösen Hexen oder Schwiegermütter immer dunkelhaarig. So werden wir schon als Kinder geprägt - wen wundert es da, dass wir als Erwachsene blonde Frauen bevorzugen?

Und doch, es scheint mehr dahinter zu stecken als nur eine frühkindliche Prägung. Warum will vor allem Frau blond sein? Fragt man nach, hört man die unterschiedlichsten Antworten: Blond macht jünger, blond lässt einen frischer aussehen, blonde Frauen werden von den Männer als attraktiver eingestuft.

Ein wichtigerer Grund für die Attraktivität von Blondinen dürfte tatsächlich der Jugendkult sein: Blondes Haar gilt als Zeichen von Jugend. Und das ist auch erklärbar: Die meisten Blondschöpfe finden sich bei Kindern - viele dunkeln im Laufe der Zeit nach. Spätestens in der Pubertät kommt die Kurskorrektur in Richtung dunkles Haar. In unseren Köpfen manifestiert sich die Farbe Blond als Attribut der Jugend und das mag dafür verantwortlich sein, dass blond ausgerechnet bei Frauen als attraktiv gilt. Denn viele Männer bevorzugen nicht nur "blond", sondern auch "jung".

Die Wissenschaft erklärt das so: Männer bevorzugen bei der Partnerwahl junge Frauen, weil die-

se mit größerer Wahrscheinlichkeit gesund sind und noch einer längere Phase der Fruchtbarkeit vor sich haben als ältere Frauen. In der Entwicklungsgeschichte des Menschen stellte diese Strategie für Männer einen Fortpflanzungsvorteil dar.

Nur eine Genmutation. Traurige Nachricht für alle Blond-Fans: Heutzutage gibt es nur mehr ca. 2 Prozent echt blonde Menschen. Aber interessanterweise scheint sich die genetische Prägung austricksen zu lassen: Denn Männern scheint es ziemlich egal zu sein, ob sie sich von einer Natur-Blondine oder einer "gefärbten" verführen lassen. Dafür dürfen sich die Friseure freuen, denn keine andere Farbe wird so oft verlangt wie blond. Und auch bei den Haarfarben für den Heimgebrauch ist der Umsatz bei Blondtönen am höchsten.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist blond nichts weiter als das Fehlen ganz bestimmter Farbpigmente. Doch das ästhetische Empfinden der Menschen hat die hellen Haare zum Lebensgefühl erhoben. Blonde Haare kamen ursprünglich durch eine seltene Genmutation zustande. Wie sich die Haarfarbe in der Eiszeit so schnell in Europa ausbreiten konnte, war bisher ein Rätsel. Jetzt haben Forscher eine neue Vermutung: Es lag am Nahrungsmangel - und vor allem an der Lust auf Sex. Wie bitte? Das wollen wir natürlich genauer wissen. Des Rätsels mögliche Lösung: Gegen Ende der Eiszeit hätten sich blondes Haar und leuchtend blaue Augen bei Frauen als Reaktion auf Nahrungs- und Männermangel herausgebildet, glauben Forscher der renommierten Universitäten St. Andrews in Schottland und Central Lancashire in Nordwestengland.

Mag die Theorie anfangs auch abwegig klingen, sie stützt sich auf Fakten. Und klingt bei genauerem Betrachten als durchaus einleuchtend: Denn bei bitterkalten Temperaturen in der Eiszeit litten die Menschen in Nordeuropa Hunger; auf Nahrungssuche stürzten sie sich in immer gefährlichere Großwildjagden, bei denen viele Männer starben. Die Frauen fanden oft keinen Ernährer und Sexualpartner mehr. "Diese missliche Lage habe einen starken Druck der sexuellen Selektion ausgelöst", sagt der Leiter der Studie, der kanadische Anthropologe Peter Frost. "Ein mögliches Ergebnis war das Auftreten ungewöhnlicher Farbeigenschaften der Haare." Ihre außergewöhnliche Haarfarbe brachte den Blondinen offenbar bessere Chancen auf Fortpflanzung. Nur so könne er sich erklären, warum sich blondes Haar, ursprünglich eine seltene genetische Mutation, in einer vergleichsweise kurzen Zeit in Nordeuropa ausgebreitet habe, sagte Frost. Zudem sei bekannt, dass bei sexuellen Selektionsmechanismen Farbmerkmale häufig eine Rolle spielen.

Schüchtern oder nicht? Aber gibt es auch mentale Unterschiede zwischen blonden Menschen und Menschen mit anderer Haarfarbe? Die meisten Wissenschafter verneinen das - nicht so jedoch der Psychologe Jerome Kagan. Er will in einer Studie Temperamentsunterschiede zwischen Personen unterschiedlicher Haarfarbe festgestellt haben. Kagan untersuchte Kinder mit hellem Pigment und fand heraus, dass Kids mit blauen Augen und hellen Haaren eher dazu neigen, schüchtern und gehemmt zu sein als Kinder mit dunklen Augen und dunklen Haaren. Sie zeigen in für sie neuen, ungewohnten Situationen Angst. Auch zögern sie, wenn sie auf andere Menschen zugehen sollen, öfter als ihre dunkelhaarigen Altersgenossen. Sie verhalten sich vermehrt in Gegenwart einer unbekannten Person still und sie tendieren häufiger als andere Kinder dazu, in der Nähe der Mutter zu bleiben. Kinder mit braunen Augen und dunklen Haaren werden von Kagan als wagemutiger und forscher eingestuft.

Der Psychologe vermutet, dass es für diese Unterschiede eine genetische Ursache gibt. Seine These ist, dass blondes Haar, blaue Augen und Schüchternheit ein biologisches Gesamtpaket darstellen, das von denselben Genen gesteuert wird. Diese würden sowohl die Melaninproduktion (die für die Dunkelfärbung von Haut, Haaren und Iris verantwortlich ist) als auch die Kortikosteroidmenge im Körper steuern, die als Nebeneffekt für furchtsameres Temperament verantwortlich sei. Eine wagemutige These, die zwar durchaus einleuchtend klingt, jedoch noch nicht beweisen ist.

Und so bleibt uns nur, unsere Vorliebe zu Blondinen einfach hinzunehmen und uns gegebenenfalls daran zu erfreuen.