In New York steht Bürgermeisterwahl an. Doch kaum jemand wird hingehen.
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New York. Amerikas Lokalpolitikern laufen die Wähler weg, und die seiner größten Stadt bilden keine Ausnahme von diesem Trend. 4,3 von rund 8 Millionen New Yorkern dürfen am Dienstag einen neuen Bürgermeister wählen, aber nur die wenigsten von ihnen werden das tun. Nachdem praktisch feststeht, wer gewinnen wird - Bill de Blasio, der Kandidat der Demokratischen Partei, dessen Vorsprung vor seinem republikanischen Widersacher Joe Lhota in den Umfragen zwischen 35 und 40 Prozent beträgt -, bleibt nur mehr die Frage, wie hoch die Wahlbeteiligung ausfallen wird. Vor vier Jahren lag sie bei knapp über 25 Prozent, ein historischer Tiefstand.
Bloomberg muss nach drei Amtszeiten abtreten
De Blasio ist ein gestandener Politiker, der zuletzt die Funktion des stadteigenen Volksanwalts ausfüllte; er wird der erste demokratische Bürgermeister seit 1994 sein. Damals gewann der Republikaner Rudy Giuliani. Von diesem übernahm 2002 sein ehemaliger Parteifreund Michael Bloomberg (er sagte sich später von der Partei los und gibt sich seitdem unabhängig), der sich heuer verabschiedet, verabschieden muss nach drei Amtszeiten - eigentlich sieht die Stadtverfassung nur zwei vor, aber dem Multimilliardär (das Wirtschaftsmagazin "Forbes" schätzt sein Vermögen auf 31 Milliarden Dollar) war es gelungen, eine Ausnahmeregelung zu erwirken.
Wie lange der Schatten des scheidenden Stadtvorstehers immer noch ist, zeigte sich nicht zuletzt im Kampf um seine Nachfolge: Die Kandidaten definierten sich vor allem darüber, wie sie es mit der Bloomberg’schen Vision der Stadt halten. De Blasio ging klar auf Distanz - der 52-Jährige warf Bloomberg zu wenig Rücksicht auf die sogenannten kleinen Leute vor und zu viel für die, die an der oder, im weitesten Sinne, für die Wall Street arbeiten.
Lhota, der zuletzt Chef des öffentlichen Nahverkehrs war, inszenierte sich dagegen als Mann des Rechtes und der Ordnung. Er verteidigte bis zuletzt die von Bloomberg abgesegnete, aber heftig umstrittene, sogenannte Stop&Frisk-Politik der New Yorker Polizei - eine vor allem ethnische Minderheiten betreffende Präventivmaßnahme, bei der Menschen auf bloßen Verdacht des Tragens einer Waffe hin angehalten und durchsucht werden; und deren Namen, auch wenn die Durchsuchung ergebnislos war, in einer Polizeidatei landen.
Zum Bürgermeister machen wird Lhota das nicht, Kriminalität eignet sich im New York des Jahres 2013 nicht als Wahlkampfthema, die Stadt gilt heute als eine der sichersten der USA. Viel eher eignen sich da schon die seit Anfang des Jahrhunderts in exorbitantem Maß gestiegenen Mieten, und das nicht nur in Manhattan, wo sich heute praktisch kein Normalsterblicher mehr eine menschenwürdige Wohnung leisten kann.
Nachdem sogar Staten Island, das langjährige Stiefkind der Stadtverwaltung und der einzige Teil New Yorks, der mehrheitlich republikanisch wählt, in den vergangenen zwei Jahrzehnten einen Bevölkerungszuwachs von mehr als 20 Prozent verzeichnete, schrauben Immobilienbesitzer (und -spekulanten) stadtweit die Preise weiter in die Höhe. Was dazu führt, dass heute mittlerweile selbst in der einst berüchtigten Bronx ein Apartment für eine Kleinfamilie bis zu 1800 Dollar im Monat kostet.
Dementsprechend setzen vor allem die Menschen in den Randbezirken, die sich vom in jeder Hinsicht Manhattan-zentrierten Bloomberg vernachlässigt fühlten, ihre Hoffnungen auf de Blasio; liegt dessen politische wie physische Heimat doch in einem der Viertel, in dem die Gentrifizierung auf die Spitze getrieben wurde: Park Slope in Brooklyn, ein einstiges Schwarzen-Ghetto, das heute zu einer der wohlhabendsten Gegenden New Yorks zählt.
Enger realpolitischer Spielraum für de Blasio
Was de Blasio realpolitisch ändern kann, ist freilich eine ganz andere Frage. Seine Hauptforderung - eine Reichensteuer, deren Erlös dem Ausbau von Kindergärten und Vorschulprogrammen zugute kommen soll - ist insofern ein bisschen ein Schmäh, weil die Einführung einer solchen nicht in die Kompetenzen eines Bürgermeisters fällt.
Der mächtigste Mann von New York City ist nämlich in vieler Hinsicht nicht der Bürgermeister, sondern der Gouverneur des Bundesstaats New York. Der heißt Andrew Cuomo und wird die nächsten drei Jahre vor allem dafür nutzen, sich für höhere Aufgaben zu empfehlen. In Albany, der rund 240 Kilometer nördlich von New York City gelegenen Hauptstadt, pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass sich der Spross einer alteingesessenen Politikerfamilie - Vater Mario stand dem Bundesstaat von 1983 bis 1994 vor - um die Nominierung der Demokraten fürs Präsidentenamt 2016 bemühen wird.
Andy Cuomo gibt sich politisch oft konservativer als manche Republikaner, um seine Chancen aufs Weiße Haus nicht zu gefährden - weswegen der de Blasio’schen Initiative bei aller Sinnhaftigkeit keine Chance auf Umsetzung eingeräumt wird. Dessen Fans ficht das nicht an. Es werden am Ende des Tages nicht viele, aber immer noch genug sein, um ihn ins Amt zu hieven. Zum Vergleich: Mike Bloomberg genügten bei seinem letzten Antritt 2009 ganze 585.466 Stimmen (50,7 Prozent) zur Wiederwahl - so wenig hatten in New York nicht zum Sieg gereicht, seitdem Frauen im Jahr 1917 das Wahlrecht zugestanden worden war.