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"Bloß auf Verdacht wird kein Test gemacht"

Von Eva Stanzl

Wissen

In Österreich wird erst bei Symptomen von Covid-19 getestet. Die Ergebnisse gelten jedoch als äußerst verlässlich.


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Norditalien ist Quarantäne-Zone. Von den Maßnahmen, die die italienische Regierung im Kampf gegen die Epidemie mit dem neuartigen Coronavirus setzt, sind 4000 Österreicher betroffen. Rom hat die Touristen in den am stärksten betroffenen Gebieten dazu aufgerufen, nach Hause zurückzukehren.

Sollen sie daheim sofort zum Arzt gehen? Mitnichten. Wer keine Symptome hat, kann sich in Österreich nicht testen lassen. "Bloß auf Verdacht wird kein Test gemacht. Das Ergebnis hätte zu wenig Aussagekraft. Die Vortestwahrscheinlichkeit, also Wahrscheinlichkeit, dass jemand ohne Symptome das Virus ausscheidet, ist zu gering", sagt Heinz Burgmann, Leiter der Universitätsklinik für Innere Medizin der Medizinuni Wien. Zudem würden die Ressourcen fehlen. "PCR-Tests sind aufwendig. Man kann nicht einfach Speichel auf einem Blatt Papier untersuchen. Das Ergebnis dauert vier Stunden, plus Material und Arbeitskraft."

Falsch positiv, echt negativ?

Anders sieht es aus, wenn jemand bereits schnupft, hustet und fiebert. "Dann sollten Sie sich keinesfalls in die Straßenbahn setzen oder im vollen Wartezimmer beim Hausarzt sitzen, sondern die Gesundheitshotline 1450 wählen", betont Burgmann. Bei Verdacht auf Covid-19 kommt der Ärztefunkdienst, nimmt einen Nasen-Rachenabstrich und bringt diesen in das nächste zuständige Labor. Wenn der Abstrich positiv ausfällt, nimmt die Behörde Kontakt auf, um den Infektionsweg und Kontaktpersonen nachzuvollziehen und zu entscheiden, ob jemand zu Hause in Quarantäne bleiben muss.

PCR-Tests beruhen auf der Polymerase-Kettenreaktion. Mit der von US-Nobelpreisträger Kerry Mullis entwickelten Methode lässt sich die Erbsubstanz in vitro vervielfältigen. In medizinischen Laboratorien kann man über diesen Weg das Vorhandensein des genetischen Materials von Viren erkennen. Da die Gensequenz von Sars-CoV-2 entschlüsselt ist, ist auch seine DNA in Nasen- und Rachenabstrichen nachweisbar. Primer sind Sequenzen von Nukleinsäuren, die als Startpunkt für die Vervielfältigung der DNA dienen. "Sie spüren das genetische Material des Virus auf, hängen sich an die Schnipsel an und bauen den Erreger neu auf. Das sieht man im Labor. So lassen sich Infektionen selbst bei geringen Mengen feststellen", erklärt der Virologe. Um ein Positiv-Ergebnis zu verifizieren, würde dasselbe Prozedere mit anderen Primer-Gensequenzen wiederholt.

Damit ein PCR-Test eine Ansteckung mit Covid-19 verlässlich zeigt, muss der Körper den Erreger in sich aufgenommen haben. Dazu muss dieser sich im Nasen- oder Rachenraum festsetzen, in die Zellen eindringen und sich dort vermehren. Es werden neue Viren gebildet, die sich in infektiösen Tröpfchen freisetzen. "Es dauert, bis sich Erreger bilden, die weitergegeben werden können und im Testverfahren sichtbar sind", erläutert Burgmann.

Hohe Infektionsrate

Sars-CoV-2 benötigt manchmal ein bis zwei, zumeist fünf bis sechs und selten bis zu 14 Tage, um die Zellen zu besiedeln. Zum Vergleich: Die schwere Lungenerkrankung Sars, ebenfalls ein Coronavirus, wurde erst in einer späteren Phase infektiös. Wer Viren ausschied, war bereits schwer krank. "Da Covid-19 oftmals nur mit leichten Symptomen einhergeht, sind wir trotz massiver Containment-Maßnahmen seit Dezember bei mehr als 100.000 Krankheitsfällen. Bei Sars hatten wir insgesamt nur 8000", erklärt der Experte die exponentiell steigende Fallzahl.

Am Montag hatten sich laut der Johns Hopkins Universität in Washington weltweit 110.041 Menschen mit dem Coronavirus infiziert, 140 laut Gesundheitsministerium in Österreich. Das deutsche Robert Koch-Institut (RKI) dringt auf schnelle Vorkehrungen gegen eine starke Zunahme von Infizierten. "Das ist eine ernste Lage, und diese Lage könnte sich weiter zuspitzen", sagte RKI-Präsident Lothar Wieler am Montag in Berlin. Es sei sicher, dass die Fallzahlen zunehmen werden.

Wieler betonte, Arztpraxen, Kliniken oder Altenheime müssten mit Covid-19-Patienten umgehen können. "Die Vorbereitungen müssen jetzt abgeschlossen sein." Alle müssten sich auf eine große Zahl an Patienten einstellen und auch auf Patienten, die intensivmedizinisch betreut und beatmet werden müssten.

Unterdessen lernt die Medizin immer neue Facetten des Erregers kennen. ACE-2 ist ein Rezeptor, der sich in den unteren Bronchien befindet und dem Erreger dort Tür und Tor öffnet. Auch die schwere Lungenerkrankung Sars benutzte ACE-2, um Lungenentzündungen auszulösen. Ein Medikament, das diesen Rezeptor hemmt, könnte schwer erkrankten Patienten helfen. Das Virus soll allerdings im oberen Respirationstrakt über einen anderen Rezeptor eindringen können, um im Halsnasenrachenraum sein Unwesen zu treiben. Welcher Rezeptor dies ist, erforscht derzeit das Universitätsklinikum München.

Weiters wird das Sars-CoV-2 relativ lange ausgeschieden. Dadurch könnten sich Fälle von Patienten erklären, die nach erfolgter Heilung ein zweites Mal positiv getestet wurden. "PCR-Tests weisen genetisches Material des Virus aus", sagt Burgmann. "Sie zeigen aber nicht, ob diese noch aktiv sind." Selbst manche Grippepatienten scheiden das Influenza-Virus länger als drei Wochen aus, ohne weiterhin ansteckend zu sein. Das Sars-CoV-2 sich ähnlich verhält, bleibt zu hoffen.

Wo getestet wird~ Die Untersuchung von Proben wird durch Amtsärzte veranlasst und erfolgen am Ages-Institut für medizinische Mikrobiologie in Wien. Untersuchungen werden auch am Zentrum für Virologie der Medizinuni Wien, dem Uniklinikum Salzburg, dem Institut für Hygiene in Wels oder der Medizinuni Graz angeboten. Näheres unter: www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/