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Bloß keine Steuern senken

Von WZ-Korrespondent Clemens Bomsdorf

Europaarchiv

Der hohe Spitzensteuersatz ist kein Thema. | Kopenhagen. Wahlkampf auf Dänisch, das bedeutet für Beobachter aus anderen westlichen Industrieländern ungewohnte Szenen. "Kannst Du versprechen, Anders, dass Du, wenn Du die Wahlen gewinnst, die Steuern nicht senken wirst?" Die sozialdemokratische Spitzenkandidatin Helle Thorning-Schmidt greift ihren Widersacher Amtsinhaber Anders Fogh Rasmussen im Fernsehduell nicht etwa an, weil er während seiner sechs Amtsjahre am Spitzensteuersatz von 63 Prozent auch für einen großen Teil der Arbeiter festgehalten hat. Stattdessen gibt es einen Wettkampf darum, wer der dänischen Bevölkerung am glaubwürdigsten vermitteln kann, alles Mögliche zu planen, aber keine Abkehr vom Prinzip des Hochsteuerlandes. Ihr Widersacher räumt denn auch nur zögerlich und mit leiser Stimme ein, möglicherweise, wenn die Finanzen es denn hergäben und andere Dinge erledigt seien, eventuell ein klein bisschen die Steuern zu senken. Damit ist den Wählern klar, dass er, der in seinen jungen Jahren den Minimalstaat propagiert hat, sich auch in Zukunft gewiss nicht für eine spürbare Entlastung einsetzen wird.


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Lieber mehr Wohlfahrt

Hinter der Hochsteuerpolitik steckt Kalkül: Einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Megafon für den Fernsehsender TV2 zufolge lehnen 48 Prozent der Dänen Steuersenkungen ab, nur 32 Prozent sind dafür, der Rest ist indifferent. Wer die Wahlen gewinnen will, muss in Dänemark auf mehr, nicht auf weniger Staat setzen. Mehr Geld für das steuerfinanzierte Gesundheitssystem und die Schulen, lautet die Devise. Der maximale Grenzsteuersatz von 63 Prozent gilt bereits für jede Krone, die über einem Monatseinkommen von umgerechnet 3700 Euro verdient wird. Das Wirtschaftsforschungsinstitut der Gewerkschaften hat errechnet, dass über 56 Prozent der vollzeitbeschäftigten Lehrer diesen Steuersatz bezahlen, bei den Elektrikern sind es noch 41 Prozent und bei Ökonomen ganze 81 Prozent.

Die Befürworter der Steuersenkungen haben ein Argumentationsproblem. Dänemark geht es wirtschaftlich derzeit bestens - das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen liegt erheblich über dem der alten EU-Mitglieder, Arbeitslosigkeit ist quasi nicht vorhanden und die Regierung erwirtschaftet solide Staatsüberschüsse. Kampagnen wie die Anzeigen der Saxo-Bank, die den Grenzsteuersatz in Dänemark u.a. mit dem in Deutschland (ca. 50 Prozent) und Polen (bald 15 Prozent) vergleicht, um für eine Senkung zu werben, wirken wenig überzeugend, denn jeder in Dänemark weiß, dass diese Länder in erheblich schlechterer Verfassung sind. Wie Steuersenkungen eine Wirtschaft in dermaßen gutem Zustand noch mehr in Schwung bringen könnten, ist vielen nicht klar.

Statt mehr in der Tasche zu haben, wollen sie lieber mehr Wohlfahrt. "Wenn eine Steuererleichterung von 20 Kronen (ca. 2,70 Euro) unterlassen wird, können wir allen das Recht sichern, bei lebensbedrohlichen Krankheiten sofort behandelt zu werden", heißt es in den Wahlannoncen der Sozialdemokraten.