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Heute wird ein schöner Tag. Sie wählt den leichten Mantel, klappt den Kragen hoch, schlingt das Tuch um den Kopf, zieht die feinen, braunen Lederhandschuhe an und geht in die Garage, wo er wartet. Zwei Handgriffe, weg mit dem Dach, Zündung an, Soundcheck- zwei Mal Gas. Jetzt setzt sie die Sonnenbrille auf, Brian Wilson liefert die Musik und sie braust davon - die Blicke auf sich wissend.
Er wiederum hat genug für heute. Die Autoschlüssel, die Aktentasche, nichts wie weg, Luft schnappen. Den Wind in den Haaren spüren - auslüften. Viel zu viel ist los. Alles dreht sich sehr schnell, wer mitspielt ist bald in hoher Drehzahl. Termine, Stress, Telefonlärm, jeder will etwas und hat noch nicht genug.
Entspannung dann, so absurd es scheint - im Auto. Das Verdeck wird aufgeklappt, zwei Handgriffe, oder gar nur ein Knopfdruck, schon ist da dieses andere Gefühl: der Himmel über dem Kopf. Sonne, warme Luft. Und bei
Regenwolken am Horizont - was soll`s, blitzartig ist das "Fetzendach" aufgespannt.
Irgendwann waren wir alle Frischluftfahrer¨- im Kinderwagen wurde das "Cabrio-Feeling" fundiert, die Sehnsucht wird später wiedererweckt? Diese luftig-schaukelnden Gefährte wurden auch "Sportwagen" genannt, nichts als Unbeschwertheit, Freizeit, stolze Eltern und freundliche Leute rundherum, und: bewundernde Blicke. "Wie reizend !" Das Kind oder der Windelexpress?
Sie nannten ihn Spider
Der offene Zweisitzer - eine Erscheinung. Befeuert z.B. von dem Cabrio-Film: "Die Reifeprüfung" mit Dustin Hofmann im roten Alfa Romeo Spider, der damals noch als Duetto bezeichnet wurde. Ein Glück-Suchender scheitert im kleinbürgerlichen Einerlei und braust davon, der Klang des Doppelnockenwellentriebwerks als Soundtrack des Lebens. Der Himmel ist das Dach.
Die bekanntesten "Anzugschneider": Pininfarina, Bertone, Michelotti. Sie zeichneten weiche Linien, markante Hüften, verdeckte Scheinwerferaugen, kühne Hecks, typische Leuchten, lange Motorhauben, sportives Interieur, Holzlenkräder, chromumrandete Armaturen. . .
Marshal McLuhan, der kanadische Medienwissenschaftler, verkündete bereits 1964 das Ende des Autos. Im folgenden Jahrzehnt, so prophezeite er, werde die Menschheit sich dieser umweltverpestenden Geisel entledigen, auf vernünftigere Verkehrsmittel umsteigen und die anachronistischen Krachmacher nur mehr als Sportgeräte halten, so wie vom Pferd als Transportgerät nur mehr das Rennpferd blieb.
McLuhan hat sich geirrt - anstatt zu verschwinden, machen sich die Autos immer breiter.
Doch andererseits hatte McLuhan recht. Als Fortbewegungsmittel ist das Auto oft dysfunktional (Stau, Parkplatzproblem), als Sport- und Freizeitgerät aber wird es alle Generationen überleben.
Jenseits aller Geschwindigkeitsakrobatik etabliert sich im Cabrio der reine Genuss, das Überflüssige schlechthin. Ein Cabrio ist ein ver-rücktes Automobil. Scheinbar widersinnig, weil platzbeengt, laut, teuer, "unpraktisch" sagen Kosten-Nutzen Rechner verächtlich.
Doch das Cabrio punktet mit: Emotionen, Wind und Wetter, Begehrlichkeiten, Spaß. Wie sonst erleben wir die automobile Fortbewegung intensiver als in der offenen Kutsche?
Das Überflüssige ist das eigentlich Menschliche . . .
"Oben ohne" ist ein Lebensgefühl. Die Tür des Käfigs öffnet sich. Erlebbar ist es im "Fetzendachl"-Puch ebenso wie im kultigen Saab 9-3Cabrio - Made in Austria übrigens - oder im pfiffigen Mazda MX 5- heuer schon ein Jubilar. Cabrios sind Gefährten für gute wie schlechte Tage. Noch mehr: Wie lassen sich sperrige Gegenstände einfacher transportieren als in in einem offenen Automobil ?
Tatsache ist auch, dass der Cabriomarkt wächst. Der Citroen Pluriel um 18.000 Euro ist ein Beispiel, wie vergleichsweise preiswert der Vollwertfahrspaß sein kann. Am anderen Ende wartet der offene Bentley um 313.000.- Euro.
Charmant sind sie, die luftigen Alltagsflitzer, sie aktivieren die Lebensfreude, sind unvernünftig, provozieren das "Wozu" in Zeiten der fahrenden Klima-Anlagen. Provozieren Neid und Missgunst - oft genung gibt es malträtierte Verdecks.
Doch, das Überflüssige ist das eigentlich Menschliche, Frischluft-Fahren ist erregend.
In seinen "Die acht Todsünden der ziviliserten Menschheit" schreibt Konrad Lorenz vom "Schwund aller starken Gefühle und Affekte durch Verweichlichung".
So betrachtet ist die Fortbewegung unter freiem Himmel ein wahre Kur, Regentropfen sind Balsam, Wind und Sonne Imprägnierung, kalte Nasen, kühler Kopf. Cabriofahren ist Lebensgestaltung im Einklang mit den Naturgesetzen.
Cabrios - Vehikel der Mode
In der Frühzeit des Automobils waren alle Benzinkutschen- Cabrios. Vorne, hinter der mächtigen Windschutzscheibe drehte der Chauffeur am Steuerrad, im Fond suchte die Dame Bequemlichkeit - die dunkle, große Brille, das Gesicht im Wind, der lange Schal im Haar - eine Fahne der Lebenslust.
Isadora Duncan fand so ihr Ende: stranguliert vom Seidenschal. Doch heute ist Cabriofahren sicher, und doch auch Show, wie einst. Eigentümlich profan, wie manche im Schirmmützen-Partnerlook einherrollen, aufregend hingegen die Inszenierung der Eleganz. Die Dame im Alfa Spider führt lederbehandschuht das Gouvernal, Hermès-Seide schützt das Haar. Mode & Cabrio entfalten eine dramatische Koexistenz.
Unabdingbar bleiben Schal und Wollmütze, Handschuhe und feste Windjacke, denn der Genuss der offenen Zweierbeziehung ist am größten, wenn die Sonne - nicht - scheint. Schnelle Autos wie der James-Dean-Speedster brauchten gar kein Dach, ganz kühne Konstruktion wind- und wetter-optimiert.
Wie sagte Bob Dylan?
Vor allem die Dichter sind dem Mythos Auto in seiner Erscheinung als Cabrio immer wieder erlegen: der Zweisitzer, als Metapher der Fortbewegung, der Geschwindigkeit, der Flucht, der Freiheit, eine Projektionsfläche ungezügelter Lust & Freude. Nachzulesen bei Bert Brecht, Richard Ford, Sarah Dreher und Jack Kerouac.
Bob Dylan hat zwei, in den Farben schwarz und weiß. In der Garage, wie Werkzeug an der Wand, die Stromgitarren.
Daneben, auf dem Foto, Dylan und seine patinierte schwarze Corvette Convertible. Chromstoßstangen, Achtzylinder, 5733 Kubikzentimeter Hubraum, Dreigangautomatik.Der andere Zweisitzer, ein Spielzeugauto: Lotus Elan S 2. Geburtsjahr 1965, British-racing-white, 600 kg Eigengewicht, 120 Pferdestärken.
"Eigentlich", sagt Bob Dylan "fahre ich viel lieber mit dem Elan ... he is the best pure sportscar". Er redet wie alle Cabrio-Freaks, erzählt vom cruisen, von einer offenen Kutsche, der Freude am Fahren, kurvigen Bergpassagen, vom röhrenden Auspuff, dem kurzen Schaltknüppel, dem Genuss, im gut beheizten Cabrio kühle Tage zu erleben "he is never closed !"
Rückblende ins Jahr 1930: Ein weißer Mercedes Benz, zweisitzig und offen mit der schönen Lilian Harvey. Die Frau kommt öfter zum Tanken und verdreht drei jungen Tankwarten den Kopf. Der fesche Kurt steppt mit Lilian um den Cabrio-Traum, ("Die Drei von der Tankstelle") und sie singen im Duett: "Autofahren, Autofahren .... Rassewagen, Klassewagen, drin ein süßes Mädel und der Himmel blau - Ja, wer möchte da nicht Partner sein? Und so mancher Mann ruft hintendrein - Hallo, fahr nicht allein ..."*
Knapp kommentierte kürzlich der deutsche Verkehrssicherheitsrat die Anziehungskraft des Cabrio: "Es ist eben ein Gefährt der Seele".