Wiens längstgedienter Bezirksvorsteher Adi Tiller (ÖVP) über die Schwächen "seines" Spitzenkandidaten, die Wiener Verkehrspolitik, Maria Vassilakou und warum er nicht empfehlen würde, die Hauptstadt ohne SPÖ zu regieren.
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Volle 40 Jahre stand Adi Tiller an der Spitze des 19. Bezirks, bevor er vor zwei Jahren an seinen Nachfolger Daniel Resch übergab. Den 81-Jährigen mit der hemdsärmeligen Art kennt in Döbling fast jeder. Aufgrund seiner langen Amtszeit und seines durchaus autoritären Führungsstils galt er als einer der letzten "Bezirkskaiser" der Bundeshauptstadt. Ein Gespräch zur Wien-Wahl.
"Wiener Zeitung": Herr Tiller, als Bezirksvorsteher sind Sie in Pension, die Wahl wird Sie aber trotzdem intensiv beschäftigen, oder?
Adi Tiller: Ja, allein schon, weil ich mit praktisch allen Kandidatinnen und Kandidaten im Bezirk befreundet bin. Mein Anliegen ist aber, dass mein Nachfolger einen schönen Wahlsieg feiert. Deshalb möchte ich die Döblingerinnen und Döblinger erinnern, dass es unter einem ÖVP-Bezirksvorsteher nicht so schlecht war. Wir haben den Bezirk nämlich lebenswert und bürgernah gestaltet. Ich bin ein bisschen rückschrittlich, ich habe keinen Computer und keine Mails verwendet. Aber ich habe telefonieren können und mit den Menschen persönlich gesprochen.
Sie sollen auch heute noch Besuche in Pensionistenheimen machen. Sind Sie im Unruhestand?
Natürlich. Während meiner Amtszeit habe ich 15.000 Ehrungen gemacht, von Geburtstagen bis Hochzeiten. Und natürlich war ich auch bei jeder Veranstaltung in einem Pensionistenheim.
In Döbling wurde vor zwei Jahren das Parkpickerl eingeführt. Sie legten sich bis zuletzt quer, Ihr Nachfolger aber stimmte dafür. Sehen Sie das Thema inzwischen anders?
Es war eine demokratische Abstimmung in der Bezirksvertretung, die habe ich akzeptiert. Meiner Meinung nach war das Parkpickerl in dieser Form ein Fehler. Und zwar für ganz Wien. Weil es nämlich kein Konzept gab. Weder in Döbling, noch in anderen Bezirken hat man versucht, den Einwohnern Parkplätze und Garagen zur Verfügung zu stellen, ohne dass sie zahlen müssen. Inzwischen hat sich die Situation eingependelt. Aber kurz nach der Einführung sind die Leute auf mich zugestürmt und haben gesagt: Ein‘s sag ich Ihnen, die ÖVP kann ich jetzt nicht mehr wählen wegen dem Parkpickerl!
Der Trend in der Stadt geht aber, vor allem in den Innenstadt-Bezirken, in Richtung immer mehr autofreier Fläche. Wie finden Sie das eigentlich als langjähriger Chef eines autoaffinen Außenbezirkes?
Was das Parken angeht, haben wir Vorschläge gemacht - nicht nur für Döbling, sondern für ganz Wien: Zonen einführen, wo es tatsächlich ein Problem gibt. Aber alle Maßnahmen über die gesamten Bezirke drüberschütten, das ist nicht notwendig.
Von der Verkehrspolitik der einstigen grünen Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou waren sie, gelinde gesagt, kein großer Fan.
Ich war nicht nur kein Fan, ich habe aktiv dagegen gearbeitet. Sie hat es mit ihren Ideen übertrieben, war einseitig und auch in ihrer Fraktion sehr diktatorisch.
Vassilakous Prestigeprojekt, die Begegnungszone Mariahilfer Straße, war allerdings ein Erfolg. Selbst die Wirtschaftskammer, die damals energisch dagegen lobbyierte, fordert inzwischen Begegnungszonen für alle Bezirke.
Die Verkehrsberuhigung sehe ich positiv. Unter meiner Verantwortung haben wir in der Probusgasse die erste Begegnungszone Döblings geschaffen. Für die Radfahrer gibt es in der Heiligenstädter Straße schon seit Jahrzehnten einen aufgedoppelten Radweg. Dafür haben wir die Vassilakou nicht gebraucht. Wir haben nicht irgendwas markiert, sondern einen Radweg asphaltiert. Da gibt es keinen Zores mit den Autofahrern oder der Tramway.
Der 19. ist der zweitreichste Bezirk der Stadt, hat aber auch seine Gegensätze. Mit dem Karl-Marx-Hof steht etwa der mit Abstand größte Gemeindebau Wiens hier, andernorts sind ganze Grätzl Einfamilien-Villen und Luxus-Wohnbauten vorbehalten. Wie viel haben die einen Döblinger eigentlich mit den anderen Döblingern zu tun?
Sie haben miteinander zu tun, auch weil wir uns darum gekümmert haben. Der Karl-Marx-Hof wurde unter meiner Verantwortung generalsaniert. Und der Platz davor heißt heute 12.-Februar-Platz. Ich habe der Umbenennung zugestimmt, weil ich finde, es soll erinnert werden, dass dort einmal geschossen wurde.
Es gibt viel Kritik an Luxus-Wohnprojekten im Bezirk. Anwohner fürchten um Grünland, Heurige sperren unter dem Druck von Immobilieninvestoren zu.
Das Wichtigste ist: Das Ortsbild muss erhalten bleiben. Wir haben in Neustift, in Grinzing, in Sievering etliche Gebiete zu Schutzzonen gemacht. Damit haben wir eine Bremse eingezogen. Ob ein neues Hus gebaut werden darf oder nicht, entscheidet aber letztlich die MA19. Wir als Bezirksvertretung sind nicht Baubehörde.
Mit Ihrem Nachfolger Daniel Resch haben Sie eine interessante Familienkonstellation gemeinsam: Reschs Bruder Klemens ist FPÖ-Bezirkschef - ausgerechnet in Döbling. Ihr Bruder Helmut war blauer Bezirksrat in der Donaustadt. Fühlen Sie sich aufgrund familiärer Bande der FPÖ näher als der SPÖ oder den Grünen?
Mein Bruder war davor viele Jahre ÖVP-Bezirksrat in der Donaustadt. Nachdem die Volkspartei ihn nicht mehr nominierte, hat die FPÖ ihm ein Angebot gemacht. Aber nicht wegen seiner politischen Einstellung, sondern weil sie den Namen Tiller verwenden wollten. Mich kannte man schließlich in ganz Wien als Bezirksvorsteher. Unter mir hat es aber immer nur eines gegeben: mit allen Parteien reden.
Und inhaltlich? Mit wem würden Sie als ÖVP am liebsten koalieren?
Es würde gar nicht anders gehen als mit der SPÖ. Nicht nur, weil sie die stärkste Partei sein wird, sondern auch, weil sie in dieser Stadt mit allen Magistratsabteilungen so verzahnt ist. In jeder Untergruppe sitzt irgendjemand von der SPÖ.
In Wien ohne SPÖ regieren geht gar nicht?
Wenn es ein Angebot von der SPÖ gäbe, würde ich das jedenfalls annehmen. Wenn du in der Regierung bist, willst du ja etwas umsetzen.
Ab wann ist das ÖVP-Ergebnis bei der Wien-Wahl ein Erfolg?
Ein gutes Ergebnis ist, wenn die ÖVP doppelt so stark ist wie jetzt. 1983 unter Erhard Busek hatte die ÖVP 37 Mandate. Jetzt hat sie sieben. Es muss also bergauf gehen. Gernot Blümel ist sicher ein guter Spitzenkandidat. Er ist intelligent und gut gebildet. Nur eines sollte er noch mehr machen: auf die Menschen zugehen. Hean’s, Herr Huber, was mach‘ma? Geh Franzi, was tu‘ma? Das kann er noch nicht so richtig.
Finale Erkenntnisse nach vier Jahrzehnten als Bezirksvorsteher?
Die Bürger haben meine Arbeit anerkannt - bei der letzten Wahl auch mit 2598 Vorzugsstimmen. Und wenn ich durch die Stadt gehe, begrüßen mich die Leute. Der Hannes Androsch ist ja bekanntlich kein ÖVPler. Er ist immer durch Neustift spaziert und hat gesagt: ÖVP kann ich nicht ankreuzen, das wisst’s eh. Aber den Tiller schreib ich immer hin.
Volle 40 Jahre stand Adi Tiller an der Spitze des 19. Bezirks, bevor er vor zwei Jahren an seinen Nachfolger Daniel Resch übergab. Den 81-Jährigen mit der hemdsärmeligen Art kennt in Döbling fast jeder. Aufgrund seiner langen Amtszeit und seines durchaus autoritären Führungsstils galt er als einer der letzten "Bezirkskaiser" der Bundeshauptstadt. Ein Gespräch zur Wien-Wahl.
"Wiener Zeitung": Herr Tiller, als Bezirksvorsteher sind Sie in Pension, die Wahl wird Sie aber trotzdem intensiv beschäftigen, oder?
Adi Tiller: Ja, allein schon, weil ich mit praktisch allen Kandidatinnen und Kandidaten im Bezirk befreundet bin. Mein Anliegen ist aber, dass mein Nachfolger einen schönen Wahlsieg feiert. Deshalb möchte ich die Döblingerinnen und Döblinger erinnern, dass es unter einem ÖVP-Bezirksvorsteher nicht so schlecht war. Wir haben den Bezirk nämlich lebenswert und bürgernah gestaltet. Ich bin ein bisschen rückschrittlich, ich habe keinen Computer und keine Mails verwendet. Aber ich habe telefonieren können und mit den Menschen persönlich gesprochen.
Sie sollen auch heute noch Besuche in Pensionistenheimen machen. Sind Sie im Unruhestand?
Natürlich. Während meiner Amtszeit habe ich 15.000 Ehrungen gemacht, von Geburtstagen bis Hochzeiten. Und natürlich war ich auch bei jeder Veranstaltung in einem Pensionistenheim.
In Döbling wurde vor zwei Jahren das Parkpickerl eingeführt. Sie legten sich bis zuletzt quer, Ihr Nachfolger aber stimmte dafür. Sehen Sie das Thema inzwischen anders?
Es war eine demokratische Abstimmung in der Bezirksvertretung, die habe ich akzeptiert. Meiner Meinung nach war das Parkpickerl in dieser Form ein Fehler. Und zwar für ganz Wien. Weil es nämlich kein Konzept gab. Weder in Döbling, noch in anderen Bezirken hat man versucht, den Einwohnern Parkplätze und Garagen zur Verfügung zu stellen, ohne dass sie zahlen müssen. Inzwischen hat sich die Situation eingependelt. Aber kurz nach der Einführung sind die Leute auf mich zugestürmt und haben gesagt: Ein‘s sag ich Ihnen, die ÖVP kann ich jetzt nicht mehr wählen wegen dem Parkpickerl!
Der Trend in der Stadt geht aber, vor allem in den Innenstadt-Bezirken, in Richtung immer mehr autofreier Fläche. Wie finden Sie das eigentlich als langjähriger Chef eines autoaffinen Außenbezirkes?
Was das Parken angeht, haben wir Vorschläge gemacht - nicht nur für Döbling, sondern für ganz Wien: Zonen einführen, wo es tatsächlich ein Problem gibt. Aber alle Maßnahmen über die gesamten Bezirke drüberschütten, das ist nicht notwendig.
Von der Verkehrspolitik der einstigen grünen Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou waren sie, gelinde gesagt, kein großer Fan.
Ich war nicht nur kein Fan, ich habe aktiv dagegen gearbeitet. Sie hat es mit ihren Ideen übertrieben, war einseitig und auch in ihrer Fraktion sehr diktatorisch.
Vassilakous Prestigeprojekt, die Begegnungszone Mariahilfer Straße, war allerdings ein Erfolg. Selbst die Wirtschaftskammer, die damals energisch dagegen lobbyierte, fordert inzwischen Begegnungszonen für alle Bezirke.
Die Verkehrsberuhigung sehe ich positiv. Unter meiner Verantwortung haben wir in der Probusgasse die erste Begegnungszone Döblings geschaffen. Für die Radfahrer gibt es in der Heiligenstädter Straße schon seit Jahrzehnten einen aufgedoppelten Radweg. Dafür haben wir die Vassilakou nicht gebraucht. Wir haben nicht irgendwas markiert, sondern einen Radweg asphaltiert. Da gibt es keinen Zores mit den Autofahrern oder der Tramway.
Der 19. ist der zweitreichste Bezirk der Stadt, hat aber auch seine Gegensätze. Mit dem Karl-Marx-Hof steht etwa der mit Abstand größte Gemeindebau Wiens hier, andernorts sind ganze Grätzl Einfamilien-Villen und Luxus-Wohnbauten vorbehalten. Wie viel haben die einen Döblinger eigentlich mit den anderen Döblingern zu tun?
Sie haben miteinander zu tun, auch weil wir uns darum gekümmert haben. Der Karl-Marx-Hof wurde unter meiner Verantwortung generalsaniert. Und der Platz davor heißt heute 12.-Februar-Platz. Ich habe der Umbenennung zugestimmt, weil ich finde, es soll erinnert werden, dass dort einmal geschossen wurde.
Es gibt viel Kritik an Luxus-Wohnprojekten im Bezirk. Anwohner fürchten um Grünland, Heurige sperren unter dem Druck von Immobilieninvestoren zu.
Das Wichtigste ist: Das Ortsbild muss erhalten bleiben. Wir haben in Neustift, in Grinzing, in Sievering etliche Gebiete zu Schutzzonen gemacht. Damit haben wir eine Bremse eingezogen. Ob ein neues Hus gebaut werden darf oder nicht, entscheidet aber letztlich die MA19. Wir als Bezirksvertretung sind nicht Baubehörde.
Mit Ihrem Nachfolger Daniel Resch haben Sie eine interessante Familienkonstellation gemeinsam: Reschs Bruder Klemens ist FPÖ-Bezirkschef - ausgerechnet in Döbling. Ihr Bruder Helmut war blauer Bezirksrat in der Donaustadt. Fühlen Sie sich aufgrund familiärer Bande der FPÖ näher als der SPÖ oder den Grünen?
Mein Bruder war davor viele Jahre ÖVP-Bezirksrat in der Donaustadt. Nachdem die Volkspartei ihn nicht mehr nominierte, hat die FPÖ ihm ein Angebot gemacht. Aber nicht wegen seiner politischen Einstellung, sondern weil sie den Namen Tiller verwenden wollten. Mich kannte man schließlich in ganz Wien als Bezirksvorsteher. Unter mir hat es aber immer nur eines gegeben: mit allen Parteien reden.
Und inhaltlich? Mit wem würden Sie als ÖVP am liebsten koalieren?
Es würde gar nicht anders gehen als mit der SPÖ. Nicht nur, weil sie die stärkste Partei sein wird, sondern auch, weil sie in dieser Stadt mit allen Magistratsabteilungen so verzahnt ist. In jeder Untergruppe sitzt irgendjemand von der SPÖ.
In Wien ohne SPÖ regieren geht gar nicht?
Wenn es ein Angebot von der SPÖ gäbe, würde ich das jedenfalls annehmen. Wenn du in der Regierung bist, willst du ja etwas umsetzen.
Ab wann ist das ÖVP-Ergebnis bei der Wien-Wahl ein Erfolg?
Ein gutes Ergebnis ist, wenn die ÖVP doppelt so stark ist wie jetzt. 1983 unter Erhard Busek hatte die ÖVP 37 Mandate. Jetzt hat sie sieben. Es muss also bergauf gehen. Gernot Blümel ist sicher ein guter Spitzenkandidat. Er ist intelligent und gut gebildet. Nur eines sollte er noch mehr machen: auf die Menschen zugehen. Hean’s, Herr Huber, was mach‘ma? Geh Franzi, was tu‘ma? Das kann er noch nicht so richtig.
Finale Erkenntnisse nach vier Jahrzehnten als Bezirksvorsteher?
Die Bürger haben meine Arbeit anerkannt - bei der letzten Wahl auch mit 2598 Vorzugsstimmen. Und wenn ich durch die Stadt gehe, begrüßen mich die Leute. Der Hannes Androsch ist ja bekanntlich kein ÖVPler. Er ist immer durch Neustift spaziert und hat gesagt: ÖVP kann ich nicht ankreuzen, das wisst’s eh. Aber den Tiller schreib ich immer hin.