Zum Hauptinhalt springen

Blutbad in Heiligtum in Lahore

Von WZ-Korrespondentin Agnes Tandler

Politik

Pakistanische Taliban bestreiten Urheberschaft. | Lahore bereits mehrmals Ziel von Anschlägen. | Lahore. Erstmals seit Jahrhunderten ist der berühmte Heiligen-Schrein in der Altstadt von Lahore geschlossen. Donnerstagnacht verübten zwei Selbstmordattentäter einen Anschlag auf Betende und Pilger, die sich hier jeden Abend zu Tausenden versammeln, um am fast tausend Jahre alten Grab des Sufi-Heiligen Hazrat Syed Ali bin Usman Hajweri auf Wunder und Vergebung zu hoffen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Mindestens 43 Menschen starben, um die 175 wurden verletzt. Die Polizei sperrte den Andachtsort komplett ab. Die pakistanischen Taliban verneinten zunächst eine Verwicklung in den Anschlag.

Sufi-Tradition bei Wahhabiten verpönt

Der Data Darbar ist ein bedeutender Wallfahrtsort für die in Indien und Pakistan weit verbreitete Sufi-Tradition des Islam, eine mystische Glaubensrichtung, die Gott mit Musik, Tanz und Dichtung verehrt. Auch Sufi-Heilige werden seit Jahrhunderten angebetet, eine Praxis, die in der strengen arabische Wahhabi-Auslegung des Islams extrem verpönt ist.

Vor diesem Hintergrund scheint es wahrscheinlich, dass islamische Extremisten wie die Taliban den Schrein attackiert haben. Es wäre allerdings das erste Mal in der Millionenmetropole Lahore, dass ein so beliebter Sufi-Schrein Zielscheibe der radikal-islamischen Terroristen wird. Die Sufi-Tradition ist im religiösen Alltagsleben des Landes fest verwurzelt.

Täglich tausende Besucher am Schrein

Schreine wie der Data Darbar ziehen täglich tausende Besucher an, die das Grab mit Rosenblüten bestreuen und bunte Wunschbänder an die Steinbögen des Schreins knüpfen. Reiche Pakistanis spenden regelmäßig Essen für Pilger und Arme.

Der Data Darbar ist gut gesichert. Es gibt seit Jahren Metalldetektoren an den Eingängen, Besucher werden durchsucht und müssen Taschen und Gepäck am Eingang abgeben. Doch offenbar waren die Vorkehrungen nicht ausreichend. Die Selbstmordattentäter konnten das Heiligtum ungehindert betreten. In der Nacht vom Donnerstag zum Freitag ist der Schrein stets am besten besucht.

"Wir sind nicht verantwortlich für diese Angriffe, es ist eine Verschwörung ausländischer Geheimdienste. Wir attackieren keine öffentlichen Orte", erklärte Azam Tariq, ein Sprecher der Tehrik-i-Taliban, der größten pakistanischen Terror-Organisation. Doch in der Vergangenheit haben Taliban-Kämpfer immer wieder Anschläge auf Gläubige beim Freitagsgebet in den Moscheen verübt. Ende Mai kamen in Lahore bei einem Doppel-Attentat auf zwei Gebetshäuser der muslimischen Ahmadi-Sekte etwa 80 Menschen ums Leben.

Lahore, die Kulturhauptstadt Pakistans mit etwa acht Millionen Einwohnern, ist in den letzten Monaten immer wieder Ziel blutiger Selbstmordattentate gewesen. Beobachter sehen das als Zeichen für das Erstarken lokaler Taliban-Gruppen im Punjab, dem wirtschaftlichen und politischen Herzen Pakistans. Die pakistanischen Taliban waren lange Zeit vor allem im Grenzgebiet zu Afghanistan, im Nordwesten des Landes, verwurzelt. In den letzten drei Jahren sind in Pakistan mehr als 3400 Menschen bei Anschlägen der Taliban und anderer Terrorgruppen gestorben.

Sicherheitsaufgebot massiv erhöht

"Terroristen nehmen keine Rücksicht auf Religionen", sagte der pakistanische Ministerpräsident Yousuf Raza Gilani. Ein Regierungssprecher machte islamische Extremisten verantwortlich und erklärte, es handle sich um dieselben Leute, die auch die früheren Anschläge in Lahore verübt haben. Nach dem Doppelanschlag versammelten sich vor dem Schrein mehrere Demonstranten und kritisierten die nach ihren Worten unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen. Nach Medienberichten gingen mehrere Autos in Flammen auf. Die Polizei setzte Tränengas gegen Steine werfende Demonstranten ein. Mit Blick auf die vielen Besucher der Freitagsgebete wurde das Sicherheitsaufgebot in der Millionenmetropole Lahore massiv erhöht. Polizeipatrouillen überwachten mögliche Anschlagsziele.