Demonstranten wollen der Gewalt der Junta nicht weichen. Doch müssen sie mit dem Schlimmsten rechnen.
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Es war eine hoffnungsvolle Aufbruchsstimmung: Im Hauptquartier der Nationalen Liga für Demokratie (NLD) in Myanmars Metropole Rangun debattierten lebhaft junge Aktivisten, verteilten Studentinnen ehrenamtlich Broschüren der Partei und verkauften ältere Frauen selbst gemachte Hausschuhe, um den Erlös der Partei von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi zu spenden. Solche Szenen konnte beobachten, wer Myanmar Anfang der 2010er Jahre, als die ersten Schritte zur Demokratisierung einsetzten, besuchte.
Nun wird auf Myanmars Demokraten geschossen. Soldaten zielten am Wochenende in mehreren Städten mit scharfer Munition direkt auf Demonstranten, die gegen den Militärputsch am 1. Februar protestiert hatten. Die Vereinten Nationen berichteten von mindestens 18 Todesopfern und 30 Verletzten. Zudem wurden laut staatlichen Medien hunderte Aktivisten allein am Samstag verhaftet. Trotzdem marschierten am Montag in einigen Städten erneut die mutigsten Demonstranten im Angesicht der Waffen des Militärs, das zunächst wieder Tränengas einsetzte.
Prozess gegen Suu Kyi
Auch der festgesetzten NLD-Anführerin Suu Kyi, die bis zum Putsch De-Facto-Regierungschefin war, soll offenbar der (Schau-)Prozess gemacht werden: Die Politikerin wurde am Montag erstmals per Video zu ihrer Gerichtsverhandlung zugeschaltet, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Die 75-Jährige soll wegen "Anstiftung zum Aufruhr" und Verstößen gegen das Telekommunikationsgesetz - ihr wird der illegale Besitz von Funkgeräten vorgeworfen - angeklagt werden, berichtete ihr Anwalt Nay Tu.
Mit ihrem brutalen Vorgehen vernichten die Militärs eine Demokratisierung, die sie selber vor rund zehn Jahren eingeleitet hatten: Nach jahrzehntelanger Herrschaft ließen sie damals die unter Hausarrest stehende Suu Kyi frei und ebneten einer Öffnung des Landes den Weg.
Doch offenbar ist ihnen Suu Kyis NLD, die Ende vergangenen Jahres die Wahlen erneut überlegen gewonnen hatte, zu mächtig geworden. Die Begründung für den Putsch, dass es Wahlbetrug gab, ist nur vorgeschoben. Auch wenn es bei einzelnen Wählerlisten Mängel gab - wenn, dann wurden Gruppierungen ethnischer Minderheiten benachteiligt, aber nicht die Partei des Militärs, die eine deutliche Niederlage erlitt.
Myanmars demokratische Kräfte wollen nun der Gewalt der Junta nicht weichen. Doch machen die Schüsse vom Wochenende deutlich, dass sie mit dem Schlimmsten rechnen müssen. Die Protestbewegung, die Hunderttausende Demonstranten mobilisieren konnte und eine Streikbewegung hervorrief, musste von Anfang an darauf hoffen, dass es zu Rissen innerhalb des Militärs kommt. Doch die Reihen der Armee sind offenbar - wie stets in der blutigen Geschichte des unabhängigen Myanmars - geschlossen. Und erneut schrecken die Generäle, die in der Vergangenheit selbst auf hoch verehrte buddhistische Mönche haben feuern lassen, vor äußerster Gewalt nicht zurück.
Dass die USA nun neue Sanktionen beschließen wollen und der Putsch international verurteilt wird, wird die Junta nicht aufhalten. Der burmesische Historiker Thant Myint-U, ein Enkel des einstigen UN-Generalsekretärs U Thant, verweist darauf, dass weltweit kaum eine Elite so isoliert sei wie Myanmars Generäle. Viele von ihnen würden nicht einmal eine Fremdsprache beherrschen, und kaum einer hätte ein Bankkonto im Ausland. "All ihre Freunde und Feinde, all ihre Träume und Albträume finden sich alleine in Myanmar", sagte Thant Myint-U dem Journal "Foreign Policy".
Junta sieht sich auserwählt
Hinzu kommt: Es gibt zwar gute Gründe anzunehmen, dass der weitaus wichtigste Staat für Myanmar, der Nachbar China, über den Putsch nicht glücklich ist. Denn Peking fand auch ein sehr gutes Auskommen mit Suu Kyi, von der sich der Westen wegen ihres Schweigens zur brutalen Vertreibung der moslemischen Minderheit der Rohingya abgewandt hatte, und muss nun neue Unruhen in den von ethnischen Minderheiten bewohnten Grenzregionen fürchten. Allerdings wird sich China mit der Junta arrangieren.
Myanmars Generäle, die auch ein großes wirtschaftliches Netzwerk über ihr Land geworfen haben, sehen sich auserwählt zu herrschen. Sonst würde gemäß ihres Selbstverständnisses der Vielvölkerstaat zerfallen.
Dass sie es in Jahrzehnten nicht geschafft haben, einen Ausgleich mit aufständischen Minderheiten zu finden, bekümmert sie dabei wenig. Auch scheint es ihr Selbstbewusstsein nicht zu erschüttern, dass sie unter der Mehrheitsbevölkerung der Burmesen kaum Rückhalt genießen. Die Militärs haben nämlich die Waffen in der Hand - und keine Skrupel, von ihnen Gebrauch zu machen.