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Blutige Köpfe ob Bilanz

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

Anwälte nehmen Gutachter in Mangel. | Schlaff wird erneut als Zeuge geladen. | Wien. Dass sich Thomas Keppert am Dienstag einen blutigen Kopf geholt hat, lag nicht an den Fragen, mit denen die Anwälte der Angeklagten im Bawag-Prozess den Buchsachverständigen zu seinen Gutachten über die Bawag-Bilanzen löcherten. Vielmehr stieß sich Keppert am Ende des Prozesstages unglücklich an einer Tischkante.


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Doch auch die Anwälte, allen voran jene des Wirtschaftsprüfers Robert Reiter, Thomas Kralik und Christoph Herbst, setzten dem Gutachter zu. Keppert hatte die Bilanzen der Bawag von 1998 bis 2002 wegen fehlender Wertberichtigungen als nichtig bezeichnet. Die Bilanzen 2003 und 2004 waren laut Gutachten richtig, sofern die Vorstände nichts von den finanziellen Malversationen beim US-Broker Refco wussten.

Bei der Befragung durch Kralik und Herbst entspann sich eine Fachdiskussion. Zunächst stritten sich Gutachter und Anwälte darüber, wann eine "wesentliche" Grenze überschritten ist, die zu einer Nichtigkeit einer Bilanz führt.

Für Robert Reiter, der vor allem der Bilanzfälschung angeklagt ist (es gilt die Unschuldsvermutung), stellen die Gutachten die größte Gefahr dar. Daher versuchten seine Anwälte auch, die fachliche Qualifikation des Gutachters in Frage zu stellen - zumal dieser letztmals 1986 selbst die Bilanzen einer Bank geprüft hat.

Schuss nach hinten

Im Zuge der Breitseite, die Herbst und Kralik gegen den Sachverständigen feuerten, ging ein Schuss jedoch nach hinten los. Ein Kredit der Bawag für ein Kasino in Jericho (CAP), das im Oktober 2000 geschlossen werden musste, hätte laut Keppert bereits 2001 abgeschrieben werden müssen. Die Bank-Vorstände berufen sich auf einen palästinensischen Anwalt, laut dem der Kredit durch eine Versicherung gedeckt sei. Für Keppert ein bloßer "Hoffnungswert, aber auf Hoffnung kann man keine Bilanzen erstellen".

Schließlich zückte der Gutachter ein Papier, in dem selbst die KPMG (für die Reiter die Bawag prüfte) den Kredit nominell mit 49 Millionen Euro bewertete (aufgrund des Versicherungsanspruchs), materiell jedoch mit Null. Reiter verteidigte sich, er sei ein sehr vorsichtiger Prüfer gewesen und hätte daher den Kredit mit Null bewertet, da nicht sicher gewesen sei, "dass er sich materialisiert".

Für die Bawag-Vorstände bestand diese Unsicherheit offenbar nicht. Sie verbuchten diesen "Hoffnungswert" als fix in den Bilanzen.

Um die Causa genauer zu beleuchten, beantragte Kralik die Ladung weiterer Zeugen, darunter der Investor Martin Schlaff. Dieser - schon im Oktober als Zeuge vernommen - war am Kasino beteiligt.