Washington will syrisches Regime isolieren. | Assad lobt Armee: "Feinde des Landes ausgemerzt."
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Damaskus. Gleich zu Beginn des Fastenmonats Ramadan statuierte das syrische Regime ein blutiges Exempel. Die Armee marschierte in der Oppositionellen-Hochburg Hama ein, wenig später lagen mehr als 100 Demonstranten tot auf den Straßen. Schwer bewaffnete Sicherheitskräfte hatten auf alles geschossen, was sich bewegte. Menschenrechtsorganisationen sprechen bereits von dem schlimmsten Massaker seit Ausbruch des Aufstandes gegen Machthaber Bashar al-Assad.
Das war am Sonntag. Am Montag fand das Martyrium der syrischen Opposition seine Fortsetzung, diesmal traf es die Erdölmetropole Deir al-Zor: Soldaten marschierten ein, Panzer rollten, Scharfschützen nahmen wahllos Zivilisten ins Visier. Zurück blieben mindestens 15 Tote. Assads Soldaten setzten Artillerie gegen Unbewaffnete ein, die Verletzten konnten nur unzureichend versorgt werden, es fehlt an Medikamenten und vor allem an Blutkonserven.
Beobachter rechnen damit, dass die Großoffensive der syrischen Armee einige Tage anhalten könnte. Ziel des Regimes ist es, die Bevölkerung einzuschüchtern, denn der Druck auf das Regime könnte während des Fastenmonats steigen. Die Gläubigen versammeln sich täglich in den Moscheen, ab Einbruch der Dunkelheit ist mit Machtdemonstrationen des Volkes zu rechnen.
Bis jetzt sind in Syrien 1600 Menschen ums Leben gekommen, die Macht Assads war aber zu keinem Zeitpunkt ernsthaft gefährdet. Der Autokrat kann sich auf die Armee verlassen.
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Verletzte in Moscheen
Das Oppositionslager hatte bereits im Vorfeld für den Ramadan eine Reihe von Großdemonstrationen angekündigt, der Aufruf hatte Erfolg: Bevor in Hama die ersten Schüsse fielen, waren bereits Tausende auf die Straße gegangen.
Die Hochburgen der Regimegegner werden jetzt von den Sicherheitskräften belagert, Aktivisten sprechen von einer drohenden Versorgungskrise. Die Situation in Hama einen Tag nach dem Massaker wird als dramatisch beschrieben, zahlreiche Häuser sind zerstört, Verletzte liegen in Parks und Moscheen und werden dort notdürftig behandelt. In vielen Spitälern ist kein Platz mehr.
Die brutale Vorgangsweise der syrischen Machthaber stößt international auf heftige Kritik, zu einem militärischen Eingreifen wie in Libyen ist aber niemand bereit. US-Präsident Barack Obama zeigte sich am Sonntag entsetzt über das Massaker von Hama und versprach, Assad international isolieren zu wollen. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton zeigte sich "schockiert". Die syrische Armee hätte die Pflicht, "die Bevölkerung zu beschützen und nicht, sie wahllos zu massakrieren". Brüssel hat bereits Sanktionen gegen Damaskus gesetzt, so dürfen Assad und 30 seiner Mitarbeiter nicht mehr in die EU einreisen. Angesichts der jüngsten Gewaltexzesse verschärfte die EU ihre Sanktionen. Die Maßnahmen wirken angesichts der Größenordnung der Verbrechen harmlos: Fünf weitere Vertreter des syrischen Regimes werden künftig mit Einreiseverbot belegt, sie können außerdem auf ihr Vermögen in der EU nicht mehr zugreifen.
Die deutlichsten Worte fand die deutsche Regierung. Ein Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel sprach von einer "neuen Qualität der Repressionsmaschinerie". Das syrische Regime führe "Krieg gegen das eigene Volk". Selbst Russland, traditionell ein Freund Syriens, forderte Assad auf, der Gewalt Einhalt zu gebieten. Syriens Präsident selbst zeigt sich unbeeindruckt und lobt das Vorgehen der Armee. Die Soldaten hätten das Ziel erreicht, "die Feinde des Landes auszumerzen und den Aufruhr zu beenden".
Wissen: Ramadan
Für Muslime hat am Montag der Fastenmonat Ramadan begonnen. Zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang verzichten Gläubige auf Essen und Trinken. Abends findet dann das Fastenbrechen statt, meist im größeren Familienkreis.
In Syrien könnte die Protestbewegung vom Ramadan profitieren. Aktivisten kündigten für den Monat bereits tägliche Proteste an. Bisher fanden Demonstrationen vor allem nach dem Freitagsgebet statt, da das Zusammentreffen der Aktivisten in den Moscheen als Ausgangspunkt diente. Im Ramadan gehen die Gläubigen teilweise jeden Abend in die Moschee. Das erleichtert das Zustandekommen von Protestaktionen.
Der Ramadan ist eine von fünf Säulen des Islam und seine Einhaltung Grundpflicht der Gläubigen. Viele Muslime, die unter dem Jahr weniger fromm leben, fasten während des Ramadan. In dieser Zeit ist es besonders wichtig, gute Taten zu vollbringen. Der Ramadan ist der neunte Monat des islamischen Mondkalenders. Sein Beginn ist nicht fixiert, sondern richtet sich nach der ersten Sichtung des Neumondes. Beendet ist der Fastenmonat, wenn mit dem Erscheinen der neuen Mondsichel der zehnte Monat anbricht. Dieses Jahr dauert der Ramadan bis 29. August. Das Ende wird traditionellerweise mit dem dreitägigen Eid al-Fitr-Fest, dem Fest zum Fastenbrechen, gefeiert.