Vor genau 25 Jahren wurde Indira Gandhi getötet. | Neu-Delhi. (dpa) "Bitte in einer Reihe anstellen, bitte nicht drängeln." Die Polizisten in Neu-Delhis Safdarjung Road haben Mühe, dem Ansturm Herr zu werden. Im Minutentakt entladen Busse aus ganz Indien Reisegruppen und Schulklassen, die lärmend und ungeduldig Einlass in einen schlichten weißen Bungalow begehren. Das Anwesen im Schatten riesiger Bäume war die Residenz von Premierministerin Indira Gandhi - bis zu ihrem gewaltsamen Tod am Morgen des 31. Oktober 1984. Heute ist es ein Museum, das täglich etwa 10.000 Menschen anzieht.
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Auch ein Vierteljahrhundert später scheint die Faszination für die einst mächtigste Frau des Landes ungebrochen zu sein. Verehrt wird die Tochter von Jawaharlal Nehru, dem Begründer der unabhängigen Republik Indien, die das Land von 1966 bis 1977 und von 1980 bis zu ihrer Ermordung regierte, als Architektin des aufstrebenden und modernen Indiens mit einem Herz für die armen Bevölkerungsschichten. Kritisiert wird sie als skrupellose Machtpolitikern. "Sie war eine starke und kühne Frau", bringt es eine Besucherin auf den Punkt.
Im Inneren des Bungalows schieben sich die Massen vorbei an historischen Fotografien und Zeitungsausschnitten - Indira Gandhi im Kreise von Staats- und Regierungschefs, Indira Gandhi umringt von Landarbeiterinnen, Indira Gandhi mit ihrer Familie. Besonders ergreifend ist für die meisten jedoch in abgesperrtes Stück Weg im Garten hinter dem Haus. Genau hier soll Frau Gandhi von Angehörigen ihrer Leibwache - zwei Sikhs - niedergeschossen worden sein.
Als sich die Nachricht an jenem Herbsttag verbreitet, steht Indien unter Schock. Noch ahnt niemand, dass Delhi und andere Landesteile wenig später im Chaos versinken und tausende Menschen ihr Leben verlieren werden. Erst als bekannt wird, dass die Täter Sikhs sind und Gandhi aus Rache für eine von ihr angeordnete Militäraktion gegen den Goldenen Tempel von Amritsar - dem wichtigsten Heiligtum der Religionsgemeinschaft - ermordet haben, macht sich Unruhe breit. Sikh-Separatisten kämpften zu dieser Zeit mit Waffengewalt im Nordwesten des Landes für eine Loslösung der Region Punjab und einen eigenen Staat. Anfang der 1980er Jahre hatte die Bewegung an Stärke gewonnen, so dass sich die Premierministerin zu einem harten Gegenschlag gezwungen sah. Im Juni 1984 ließ sie die Armee den Goldenen Tempel stürmen, in dem sich die Führer der Separatisten mit ihren Anhängern verschanzt hatten. Hunderte Menschen sterben.
In den Abendstunden des 31. Oktober werden aus mehreren Teilen Delhis erste Übergriffe auf Sikhs gemeldet. "Drei Tage lang wütete der Mob in Delhi, ohne dass Polizei oder Armee eingriffen", erinnert sich der Sikh und Bürgerrechtler Harvinder Singh Phoolka. Die Bilanz: Allein in Delhi wurden nach Regierungsangaben zwischen dem 1. und 3. November 2733 Menschen getötet, fast alle davon Sikhs. Manche sprechen von 4000 Toten.