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Blutiger Wahlkampf-Auftakt

Von Michael Schmölzer

Analysen

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Am Montag hat in Ägypten offiziell der Wahlkampf begonnen, am 23. und 24. Mai geht die erste Runde im Rennen um die Präsidentschaft über die Bühne. Die Kandidaten, die von der Wahlkommission nicht ausgesiebt wurden, liefern einander bereits heftige verbale Gefechte.

Der Wahlkampf-Auftakt hat aber auch eine reale Lawine der Gewalt losgetreten, die international mit großer Besorgnis registriert wird. Nach Monaten der relativen Ruhe wurden am Mittwoch mindestens 20 Demonstranten bei Ausschreitungen getötet und rund 200 verletzt. Unter den Opfern sind viele Salafisten - radikale Islamisten, die seit Tagen gegen den herrschenden Militärrat protestierten. Schon in der Nacht auf Sonntag kam es am Rande einer Salafisten-Demonstration zu Ausschreitungen mit 90 Verletzten. Die amtliche ägyptische Nachrichtenagentur vermeldete, es habe sich bei den Angreifern um Anwohner gehandelt, die über die lautstarken Proteste verärgert gewesen seien. An dieser Darstellung gibt es berechtigte Zweifel.

Die regierenden Generäle haben versprochen, die Macht nach der Stichwahl im Juni abzugeben, doch viele Ägypter haben ihre Zweifel. So herrscht Ungewissheit darüber, wer hinter den Angriffen auf die protestierenden Islamisten steckt. Der Verdacht liegt nahe, dass die Schlägertrupps ihre Molotow-Cocktails auf Geheiß des Militärrats geworfen haben. Einer derartigen Strategie bediente sich bereits das gestürzte Regime von Hosni Mubarak. Die Militärs könnten den Brauch fortführen, um sich selbst als einzig mögliche Ordnungsmacht zu etablieren.

Auf jeden Fall rächt sich jetzt die Tatsache, dass die ägyptische Wahlkommission aussichtsreiche Präsidentschaftskandidaten unter Gebrauch fragwürdiger Argumente aus dem Verkehr gezogen hat. Der Salafist Abu Ismail etwa wurde ausgeschlossen, weil seine verstorbene Mutter die US-Staatsbürgerschaft angenommen haben soll. Dass es in Folge dieser Entscheidung zu Krawallen kommen würde, war von Anfang an klar.

Bei der Präsidentenwahl sind jedenfalls Überraschungen und weitere Turbulenzen zu erwarten. Während die Islamisten die Parlamentswahlen haushoch gewonnen haben, wünschen sich die Ägypter offenbar einen Säkularen als Präsident. Das legen zumindest die neuesten Umfragen nahe. Demnach würden 41 Prozent der Ägypter Amr Mussa, den Ex-Generalsekretär der Arabischen Liga, wählen. Ein Kandidat der Muslimbrüder, Abdel Moneim Abul Futuh, läge mit rund 27 Prozent auf dem zweiten Platz. Ein derartiges Wahlergebnis käme zumindest den ägyptischen Militärs entgegen, die die Islamisten im Land jahrzehntelang erbittert bekämpft haben.