52 Schiiten bei Anschlägen getötet, Terrorgruppe aus Pakistan bekennt sich.
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Kabul. Bei einem Doppelanschlag auf schiitische Gläubige sind am Dienstag in Afghanistan mindestens 52 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt worden. Zunächst sprengten sich Selbstmordattentäter in Kabul in einer großen Menschenmenge vor einer schiitischen Moschee in die Luft, wenig später explodierte eine an einem Fahrrad befestigte Bombe in der Nähe eines Schreins in Mazar-e-Sharif. Hier im Norden des Landes hat auch die deutsche Bundeswehr ein Feldlager. Die Attentate zum Aschura-Fest, einem der höchsten Feiertage für Schiiten, schüren die Angst vor einer Eskalation religiöser Gewalt in Afghanistan. Solche gezielten Anschläge auf Schiiten hat es bisher am Hindukusch noch nicht gegeben. Im Nachbarland Pakistan, das ebenfalls vom islamistischen Terror heimgesucht wird, gehören sie hingegen bereits zum Alltag. Auch im Irak, wo am Montag 35 schiitische Pilger getötet wurden, gibt es immer wieder Attentate während des Aschura-Festes.
Schon kurz nach dem Anschlag wurde in Afghanistan spekuliert, dass islamistische Terrorgruppen aus Pakistan für die Attentate verantwortlich sein könnten, die damit eine weitere Destabilisierung des Landes erreichen wollen. Tatsächlich hat sich am Dienstagabend die pakistanische Terrororganisation Lashkar e-Jhangvi al-Alami zu dem Anschlag in Kabul bekannt.
Gedenken an Märtyrer-Tod
Das Aschura-Fest ist ein offizieller Feiertag in Afghanistan. Schiiten gedenken an diesem Tag des Märtyrer-Tods von Imam Hussein, einem Enkel des Propheten Mohammed. Obwohl es zwischen Afghanistans sunnitischen Muslimen und der schiitischen Minderheit Spannungen gibt, zielten die Anschläge in den letzten Jahren zumeist auf Einrichtungen der Nato-Truppen, der afghanischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft.
Ein Sprecher der aufständischen Taliban verurteilte die Anschläge auf die Gläubigen und machte zunächst den Westen für die Tat verantwortlich. Die Taliban distanzieren sich häufig von Attentaten, bei denen viele Afghanen, besonders Frauen und Kinder, ums Leben kommen.
Die Mehrheit der Afghanen sind Sunniten. Die Schiiten sind zumeist ethnische Hazara, die während des Taliban-Regimes verfolgt wurden. Die Doppelanschläge einen Tag nach der wichtigen Afghanistan-Konferenz in Bonn unterstreichen auch die Sorge um die Zukunft des Landes nach dem Abzug der Nato 2014. Präsident Hamid Karzai erklärte, es sei "das erste Mal, dass an einem so wichtigen religiösen Feiertag in Afghanistan ein solch schrecklicher Terrorakt" verübt werde. Der Anschlag vor der großen schiitischen Moschee im Murad-Khani-Viertel ist der schwerste in Kabul seit dem Attentat auf die indische Botschaft 2008. Unter den 48 Toten waren laut Polizei auch viele Frauen und Kinder. Neben dem Anschlag in Mazar-e-Sharif, bei dem vier Menschen starben, gab es am Dienstag noch ein weiteres kleineres Attentat. In Kandahar explodierte ein Sprengsatz auf einem Parkplatz und verletzte einige Leute. Es ist unklar, ob auch diese Bombe Schiiten galt.