Blutjunge Verführerinnen, Schulmädchenreport, Edgar-Wallace- oder Winnetou-Streifen beherrschten Opas Kino in den 60er und 70er Jahren. Doch dann ereignete sich eine Revolution.
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Der künstlerische Niedergang des deutschen Films hatte sich schon länger abgezeichnet. In ihrer Not machten sich die Produzenten die aufkeimende Sexwelle zunutze und produzierten eine Reihe meist abgrundtief blöder, aber kommerziell durchwegs erfolgreicher Streifen. Damit bescherten sie dem deutschen Film eine morbide Scheinblüte, blockierten jedoch die gesamte Infrastruktur. Die lukrativen Großstadtkinos waren allesamt fest an wenige große Verleihfirmen gebunden.
Neue Talente fanden kaum Verleiher, geschweige denn Geldgeber. Auch war das heimische Publikum noch nicht bereit, die langsame, oft kopflastige und schwarz-weiße Bilderwelt der Jungfilmer anzunehmen. Die überschäumende Kraft und Schaffenswut der nachdrängenden Generation brach sich dennoch Bahn - auf ihre Weise.
Aufbauend auf dem berühmten "Oberhausener Manifest 1962" forderten sie, dass die neuen deutschen Filme von den branchenüblichen Konventionen befreit würden und von der Bevormundung durch die Financiers.
13 meist selbst noch blutjunge Filmemacher kratzten 30.000 D-Mark an Startkapital zusammen - auf Kredit. Und setzten am 18. April 1971, also vor 40 Jahren, ihre Unterschrift unter den Gründungsvertrag einer Organisation, die sich in genossenschaftlicher Arbeitsweise um den jungen deutschen Film kümmern sollte. Dies reichte vom Lektorat über Produktion und Finanzierung, von Vertragsdurchführung und Inkasso bis zum Verleih. Gefördert werden sollten vor allem die Regisseure des Neuen Deutschen Films, Erstlingswerke von Newcomern und experimentelle Filme aus dem Ausland.
Der legendäre "Filmverlag der Autoren" ward gegründet, getragen von den Unterzeichnern Hans Noever, Hark Bohm, Michael Fengler, Peter Lilienthal, Pete Ariel, Uwe Brandner, Veith von Fürstenberg, Florian Furtwängler, Thomas Schamoni, Laurens Straub, Wim Wenders, Hans W. Geißendörfer und Volker Vogeler. Sie proklamierten für ihren neuen Verleih: "In diesem Kollektiv wollen wir, die Unterzeichneten, die Produktionsmittel unserer künftigen Filme insofern gemeinsam teilen, als dass wir auf Produzentengewinne verzichten und die Reingewinne der einzelnen Filme entsprechend ihren Einspielergebnissen auf die Mitglieder, Gesellschafter und Eigentümer verteilen."
"Es ist eine Genossenschaft entstanden, die auf einer Partnerschaft basiert, in der das Herr-und-Knecht-Verhältnis der üblichen Firmenkonstruktion außer Kraft gesetzt ist", verkündete Volker Vogeler.
Der damals erst 26-jährige Rainer Werner Fassbinder, Reinhard Hauff und Hark Bohm realisierten die ersten Filme, darunter "Effie Briest", "Nordsee ist Mordsee", "Fitzcarraldo", "Das zweite Erwachen der Christa Klages", "Die letzte Metro" und "Woyczeck". Zusammen mit der Reform staatlicher Filmförderung erblühte eine kreative Szene, wie man sie sich nicht hätte träumen lassen: Peer Rabens "Adele Spitzeder", Werner Herzogs "Aguirre", Fassbinders "Bittere Tränen der Petra von Kant", "Angst essen Seele auf".. . die Liste ist lang. Von Anfang an allerdings litt das Experiment an der Unvereinbarkeit der Einzelinteressen und an der mangelnden Kapitalausstattung. Daran änderte auch "Spiegel"-Chef Rudolf Augstein wenig, der 1977 als Mehrheitseigner einstieg und zur Rettung des Verlages zehn private D-Mark-Millionen verpulverte. Seit 1999 gehört der Verlag zur Mediengruppe Kinowelt, die jetzt in 50 DVDs die Pionierleistung der Filmautoren dokumentiert hat.
Markus Kauffmann, seit 25 Jahren Wiener in Berlin, macht sich Gedanken über Deutschland.