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Die Scheinheiligkeit der Kritik an Jean-Claude Juncker im Zusammenhang mit dem luxemburgischen Steuersparmodell erstaunt ein bisschen. Das Großherzogtum half internationalen Konzernen, Steuern weitgehend zu vermeiden - und wurde selbst reich dabei. Der Regierungschef dafür hieß Juncker, und er tat, was Regierungschefs tun sollten: den Wohlstand der Bürger vermehren. Bei nur 500.000 Einwohnern konnten die Steuersätze ebenfalls mickrig sein.
Unbestritten bleibt, dass die Steueroase Luxemburg nicht in Ordnung ist. Es ist eine Schweinerei, wie mit Hilfe eines Landes riesige Gewinne verschleiert werden konnten, die anderswo erwirtschaftet worden waren.
Allerdings wurde das Modell des Steuerwettbewerbs in der EU heftig propagiert. Sogar der Europäische Gerichtshof fällte 1986 ein Urteil, das diesen Steuerwettbewerb begünstigte. In den (konservativ dominierten) Europäischen Räten war er bis vor kurzem herrschende Lehre.
Die "lux-leaks"-Enthüllungen führen allerdings zu einer Entwicklung, die in den Hauptstädten Europas nicht eingeplant war: Die Zivilgesellschaft wacht auf und fragt sich, ob die Politiker noch alle Tassen im Schrank haben.
Juncker kriegt das Fett ab, die Niederlande werden sich freuen, dass nicht sie - mit recht vergleichbaren "Angeboten" - in der Auslage stehen.
Doch nun werden endlich die richtigen Fragen gestellt. Wenn es Ikea schafft, bei 2,5 Milliarden Euro Gewinn nur 48.000 Euro Körperschaftsteuer zu bezahlen, kapiert jeder, dass sich damit ein europäisches Sozialmodell nicht aufrechterhalten lässt.
Juncker ist nun EU-Kommissionspräsident, es obliegt also ihm, dem Treiben ein Ende zu setzen. Den Bock zum Gärtner zu machen, kann ein durchaus probates Mittel sein. Denn immerhin weiß Juncker im Detail, wie die Steuerflucht funktioniert. Wenn sie jemand wirkungsvoll abstellen kann, dann er.
Die Finanzminister und Regierungschefs der 28 EU-Mitgliedsländer sollten dabei eher still bleiben. Die Niederlande, Zypern, Malta, Großbritannien, auch Österreich lockten mit Steuererleichterungen. Dass diese Modelle - wie im Falle Luxemburgs und der Niederlande - hart am Steuerbetrug entlangschrammen, musste allen klar gewesen sein. Juncker soll das so rasch wie möglich abstellen, sein Rücktritt wäre sinnlos.