Kosten für Gratis-Kindergarten bis zu 70 Millionen. | Wer soll das bezahlen? | "Private Pflege-Vorsorge mit Anreiz". | "Wiener Zeitung": Künftig fällt bei der 24-Stunden-Pflege der Regress weg, wer jedoch in einem Pflegeheim lebt, bei dem wird auch weiterhin auf das eigene Vermögen bzw. auf jenes von Kindern oder Ehepartnern zurückgegriffen. Nun sind die Gemeinden die größten Betreiber von Pflegeheimen - warum verzichtet man hier nicht auch auf den Regress?
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Helmut Mödlhammer: Weil es finanziell derzeit nicht anders geht. In Pflegeheimen sind zwei Drittel der Bewohner auf Sozialhilfe angewiesen und wer Sozialhilfe-Empfänger ist, der hat die Verpflichtung, auch eigenes Vermögen einzubringen. Nur wenn man Pflege aus der Sozialhilfe herauslöst und etwa bei Gesundheit ansiedelt, könnten auch die Gemeinden auf den Regress verzichten.
Von welchen Beträgen reden wir hier?
Die sind sehr unterschiedlich, einfach weil Regress je nach Bundesland unterschiedlich gehandhabt wird - mitunter werden auch Kinder und Ehepartner zur Kassa gebeten. Der konkrete Betrag müsste also zuerst erhoben werden. Das zentrale Problem aber ist: Sozialhilfe ist dazu da, den Ärmsten zu helfen, die Finanzierung der Pflege hat damit jedoch nichts zu tun, die sollte auf ein eigenes Standbein gestellt werden - sei es der Privatisierungsfonds, über die Sozialversicherung oder sonst wie. Erst dann kann man auch über einen allgemeinen Regress-Verzicht reden.
Ihr Lösungsvorschlag?
Zu allererst muss die Möglichkeit einer privaten Versicherung geschaffen werden für diejenigen, die es sich leisten können. Dazu braucht es aber auch staatliche Anreize. Warum das nicht längst geschieht, verstehe ich nicht, beim Klimaschutz oder der Pensionsvorsorge geht das ja auch. Für alle, die nicht selbst vorsorgen können, muss es einen Topf geben, der aus Privatisierungserlösen oder sonst wie gefüllt wird. Und für die Ärmsten der Gesellschaft wird auch in Zukunft Pflege über Sozialhilfe finanziert werden müssen. Dieses Drei-Säulen-Modell halte ich für eine tragfähige Lösung.
Das weckt Angst vor einer Zwei-Klassen-Gesellschaft im Bereich Pflege.
Das glaube ich zwar nicht, aber Unterschiede bestehen auch schon heute, die kann man nicht einfach aufheben. Die Kosten für Pflege werden noch weiter massiv ansteigen, allein die Zahl der Demenz-Kranken wird sich verdreifachen. Wenn nicht bald die zweite Säule mit Geld gefüllt wird, dann werden bald auch Pensionisten mit Höchstbemessungsgrundlage zu Sozialhilfe-Empfängern - das ist gesellschaftspolitisch ein Armutszeugnis.
In Wirklichkeit müsste doch eigentlich alles getan werden, damit die Menschen nicht ins Heim müssen. Niemand will das, es wird als Ort zum Sterben gesehen.
Deshalb brauchen wir auch Zwischenlösungen, etwa betreutes Wohnen in besonderen Wohnprojekten. Es müsste viel mehr Wohnbauförderung in diese Richtung gehen, man muss Anreize setzen. In meiner Gemeinde machen wir jetzt ein Projekt mit 50 Wohnungen und im Erdgeschoß ist ein Rot-Kreuz-Standort eingerichtet, bei dem kann man Betreuungsleistungen zukaufen und zwar von Null bis hundert Prozent.
Aber noch einmal zum Grundsätzlichen: Man muss die Kompetenzen bündeln, bei Pflege sind Sozial-, Wirtschafts- und Finanzminister zuständig aber nicht das Gesundheitsressort, wohin das Thema gehört. Ähnlich ist die Zersplitterung bei der Bildung oder beim Bereich Kinder und Familie. Hier endlich vernünftige Zuständigkeiten zu schaffen wäre eine Verfassungsreform, die ihrem Namen auch gerecht wird.
Das Interview dauert nun schon 40 Minuten und es kam noch nicht einmal die Forderung an den Bund nach mehr Geld für die Gemeinden. Eine Sensation.
Tatsächlich ist die Finanzlage der Gemeinden dank der guten Konjunktur ok, was uns aber die Zornesröte ins Gesicht treibt, sind bodenlose Forderungen, die die Gemeinden betreffen, wie etwa ein Gratis-Kindergartenjahr für alle, ohne jedoch zu sagen, wer das bezahlen soll. Das ist schlichtweg unseriös.
Was kostet dieses Wahlkampfversprechen?
Rund 30 Millionen jährlich zusätzlich, allerdings nur für den Vormittag.
Und ganztägig?
Wesentlich mehr, so an die 70 Millionen, weil in einigen Ländern der Vormittag jetzt schon gratis ist, man für den Nachmittag aber bezahlen muss.
Welche Regierungen wünschen sich die Gemeinden?
Vor allem eine, die arbeitet, dieser Wunsch ist heute ja fast schon verwegen. Persönlich hoffe ich auf möglichst viele Regierungsmitglieder, die über kommunale Erfahrung verfügen.
Das klingt ja fast nach einer Wahlempfehlung für Werner Faymann, der lange Wohnbaustadtrat in Wien war.
Nein, sicher nicht, außerdem ist Wien mehr Land als Gemeinde und sowieso ein ganz eigenes Biotop.
Zur Person:Helmut Mödlhammer (57) ist seit 1999 Präsident des Österreichischen Gemeindebundes. Seit 1986 ist der ÖVP-Politiker und ehemalige Journalist Bürgermeister der Salzburger Gemeinde Hallwang.