Die Folgen des Klimawandels sorgen für Flächenveränderungen auf den heimischen Äckern und regionale Engpässe.
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Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die globalen Agrarmärkte werden auch in Österreich noch länger zu spüren sein. Umso wichtiger ist es, dass die heimische Landwirtschaft zukunftsfähig und die Selbstversorgung bei wichtigen Produkten gesichert bleibt. Die fortschreitende Bodenversiegelung, der Klimawandel und Naturkatastrophen gefährden zunehmend die Lebensgrundlagen. Die Wasserversorgung in verschiedenen Regionen Österreichs und lange Trockenperioden beeinträchtigen vor allem in der Kornkammer des Landes, im Marchfeld, die Ernteergebnisse.
So hat es im Weinviertel von Anfang September bis Ende Mai um 70 Millimeter (212 Liter pro Quadratmeter) weniger geregnet als im langjährigen Durchschnitt. In Hollabrunn waren es 204 Millimeter statt 286 und im Marchfeld 252 statt 352. Durchschnittliche Weizenerträge (5,5 Tonnen pro Hektar) sind demnach kaum erreichbar. Die Ages-Studie "Bodenbedarf für die Ernährungssicherung in Österreich" kommt unter anderem zu dem Schluss, dass die Bodenversiegelung von durchschnittlich 11 Hektar pro Tag zusammen mit dem Klimawandel und der Wasserknappheit die Ernährungssicherung, insbesondere bei Getreide, gefährden.
Vom Ziel der Bundesregierung, die Bodenversiegelung auf täglich 2,5 Hektar zu begrenzen, sind die aktuellen Fakten weit entfernt. Die frühere Ministerin Elisabeth Köstinger kündigte die Ausarbeitung einer Bodenstrategie mit landwirtschaftlichen Vorrangflächen an - davon ist angesichts der geänderten geopolitischen Lage vorerst nichts mehr zu hören. In der Zukunftsstudie "Landwirtschaft in Österreich 2050+" im Auftrag der Österreichischen Hagelversicherung wird darauf hingewiesen, dass der Bodenschutz für die Ernährungssicherung ohne Alternative ist. Aktuell bedeutet der Verbau von täglich 20 Fußballfeldern einen jährlichen Verlust von Brotgetreide im Ausmaß des Konsums von 350.000 Österreichern.
Auf den Äckern in Österreich sind die Flächenverschiebungen in Folge des Klimawandels deutlich erkennbar. In den vergangenen 15 Jahren ist die landwirtschaftliche Nutzfläche in Österreich um 45 Prozent auf 2,6 Millionen Hektar zurückgegangen, das Ackerland wurde auf 1,32 Millionen Hektar reduziert. Das Grünland nahm in den vergangenen 30 Jahren um 675.000 Hektar auf 1,7 Millionen Hektar ab.
Soja und Mais als Gewinner, Zuckerrübe als Verlierer
In Folge der Wasserknappheit in Hauptanbaugebieten ist bei der Sommergerste zum Beispiel eine Reduktion von 116.100 Hektar im Jahr 1990 auf 31.200 Hektar im Jahr 2021 festzustellen. Bei Soja gab es hingegen im selben Zeitraum einen achtfachen Flächenzuwachs auf fast 92.000 Hektar. Der Anbau von Wintergerste lässt den Aufwärtstrend der Vorjahre auf etwa 91.630 Hektar erkennen, ebenso die kräftige Abnahme (Wasserversorgung) der Sommergerstenfläche. Körnermais zählt ebenfalls zu den Anbaugewinnern, weil er relativ resistent gegen Trockenheit ist. Zu den Verlierern gehört in Österreich die Zuckerrübe. Noch in den 1990er Jahren betrugen die Anbauflächen mehr als 50.000 Hektar, aktuell sind es
zur Rettung der beiden verbliebenen Verarbeitungsbetriebe 38.000 Hektar.
Die Tatsache, dass bei wichtigen Nahrungsmitteln nach wie vor eine hohe Selbstversorgung gegeben ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die hohe Auslandsabhängigkeit von teilweise politisch instabilen Ländern ein potenzielles Risiko darstellt. Am stärksten trifft dies auf Düngermittel und Energieträger zu. Eine starke Abhängigkeit ist auch bei Pflanzenschutzmitteln und in Folge der nach wie vor hohen Proteinlücke für die österreichische Landwirtschaft festzustellen, weshalb vor allem mit der Eiweißstrategie die Importe reduziert werden sollen. Die Land- und Forstbetriebe als starker Anwalt der Haupterwerbslandwirtschaft geben außerdem zu bedenken, dass der Green Deal 2023 bis 2027 mit der starken Rücknahme des Dünger- und Pflanzenschutzmitteleinsatzes zusammen mit einer ungerechten Verteilung der Fördermittel das Potenzial des Ackerbaus gefährde.
Keine Selbstversorgung bei wichtigen Pflanzenprodukten
Bei wichtigen pflanzlichen Produkten ist in Österreich keine Selbstversorgung gegeben. Im vergangenen Jahr wurde der Inlandsbedarf an Getreide zu 94 Prozent gedeckt (2010 waren es 95 Prozent), bei Ölsaaten waren es hingegen nur 47 Prozent (gegenüber 55 Prozent vor zehn Jahren). Bei Erdäpfeln ist der Selbstversorgungsgrad im vergangenen Jahrzehnt von fast 100 Prozent auf 90 Prozent zurückgegangen, bei Gemüse von 63 auf 58 Prozent und bei Obst von 52 auf 48 Prozent.
Hingegen sind die Märkte bei tierischen Erzeugnissen nach wie vor durch erhebliche Überschüsse charakterisiert. Die Inlandsproduktion bei Rindfleisch übersteigt den Eigenbedarf um 45 Prozent, bei Trinkmilch sogar um 77 Prozent. Die Reduktion der Anbauflächen für pflanzliche Produkte wurde aber durch den Fortschritt in der Züchtung und einen effizienten Betriebsmitteleinsatz durch beachtliche Produktivitätssteigerungen kompensiert. Die Durchschnittserträge sind seit dem EU-Beitritt Österreichs 1995 bei Weizen von 4,7 auf 4,8 Tonnen gestiegen, bei Zuckerrüben von rund 70 auf 80,6 Tonnen und bei Mais von 8,5 auf 1,1 Tonnen. Vor 30 Jahren ernährte ein Bauer in Österreich 36 Menschen, aktuell sind es 114.
Höherer Wasserbedarf, weniger Grundwasserressourcen
Die Studie "Wasserschatz Österreich" des Landwirtschaftsministeriums dokumentiert eindrucksvoll, dass Trockenperioden und Klimawandel zu regionalen Engpässen führen. Vom jährlichen Wasserbedarf in Österreich (der zu 40 Prozent mit Grundwasser gedeckt wird) entfallen auf die Landwirtschaft 4 Prozent und auf die Industrie 70 Prozent. Bis 2050 wird die österreichische Bevölkerung um 10 Prozent auf mehr als 9,3 Millionen Menschen anwachsen, was den Wasserbedarf enorm erhöhen wird. Die verfügbaren Grundwasserressourcen könnten aber im selben Zeitraum um ein Viertel sinken.
Vor diesem Hintergrund und der noch unsicheren Entwicklung auf den zukünftigen Agrarmärkten stellt sich für die Agrar- und Ernährungspolitik in Österreich die Frage, wie die Selbstversorgung angesichts des Strukturwandels von einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Landwirtschaft gesichert werden kann. Schließlich setzt die Erzeugung des notwendigen Ernährungsbedarfs auch Produktionsmittel voraus, die in Österreich nicht ausreichend vorhanden sind: Dünger und Pflanzenschutzmittel, Futtermittel, Energie, Maschinen und Geräte und auch Saatgut. Entscheidend ist aber die Erhaltung immer knapper werdender Bodenressourcen.