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Böhmen: Star Wars statt McDonalds

Von WZ-Korrespondentin Alexandra Klausmann

Europaarchiv
Einst stationierten die Sowjets Raketen, jetzt kommen die Amerikaner: In Jince formiert sich Widerstand. Foto: klausm

US-Streitkräfte wären in Jince nicht willkommen. | Opposition verlangt Referendum. | Jince. Josef Hala kann nur noch mit den Schultern zucken: "Wir Tschechen brauchen immer irgendwelche Freunde", meint er fast schon resigniert. Wie weit in Tschechien Freundschaften gehen, weiß man gut in Jince, dem Ort, in dem Josef Hala Bürgermeister ist. In den 80er Jahren waren es die Freunde aus der Sowjetunion, die ihre Raketen in den Wäldern um Jince stationieren durften. Nun sollen die Amerikaner das militärische Sperrgebiet nutzen, das seit dem Abgang der Russen der tschechischen Artillerie vorbehalten ist. "Gefragt hat uns keiner", sagt Bürgermeister Hala. Willkommen wären die Amerikaner in Jince jedenfalls nicht, erklärt er.


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Die Mehrheit der Bewohner der 2200-Seelen-Gemeinde ist gegen die geplante US-Militärbasis. "Das einzige Argument, das ich bis jetzt dafür gehört habe, ist, dass die Amis uns endlich Coca-Cola-Automaten und McDonalds bringen würden", sagt Josef Hala.

Star Wars statt McDonalds: Vergangene Woche hat die US-Regierung die Tschechen offiziell um Hilfe für ihr internationales Raketenabwehrprogramm ersucht. Eine Radaranlage möchten die Amerikaner in Mittelböhmen stationieren. Im bewaldeten Hügelland südwestlich von Prag, wo einst Karl der Vierte gerne auf Jagd ging. Damals, als Böhmen selbst noch so etwas wie eine internationale Supermacht war. Dort werde eine "Oase des Friedens" entstehen, schwärmt der tschechische Ministerpräsident Mirek Topolanek. Die Militärbasis, auf der rund 200 amerikanische Soldaten und Zivilisten stationiert wären, würde erheblich zum wirtschaftlichen Aufschwung ihres Umlandes beitragen sowie der Förderung von Wissenschaft und Forschung dienen, verspricht er. An einen wirtschaftlichen Aufschwung glaubt man in Jince nicht. "Gar nichts wird es uns bringen", sagt Bürgermeister Hala. Wenn man einmal absieht von ein paar Schmankerln, die dem Örtchen andeutungsweise versprochen wurden, wenn es sich nicht zu sehr gegen die neuen Freunde wehre.

Doch allen Verlockungen zum Trotz lässt der Ortsrat von Jince Kundgebungen gegen die geplante US-Basis zu. Im Gegensatz zum Magistrat der Stadt Prag, der eine Demonstration der Bürgerinitiative "Ne zakladnam" (Nein zu den Basen) im Prager Stadtzentrum vergangenen Montag zu untersagen wollte.

"Aggressive Politik"

Ob auf dem Prager Wenzelsplatz oder gegenüber dem Wirtshaus von Jince - die Frage der US-Radaranlage erregt die Gemüter. "Wir protestieren aus Überzeugung gegen die geplante US-Basis" schimpft Vaclav, der zusammen mit seiner Frau am Samstag extra nach Jince gereist ist, um eine Petition gegen die Anlage und für ein Referendum zu unterschreiben. "Die USA wollen hier mit unserer Hilfe ihre aggressive Außenpolitik durchsetzen," ist Vaclav erbost. Seine Frau Jana ärgert sich eher über die tschechischen Politiker. "Die Regierung hat kaum ein Mandat und will uns eine fremde Militärbasis ins Land holen. Und alles ohne ein Referendum. Aber zum Wählen, da sind wir gut genug", schimpft sie.

Ein Referendum lehnt Premier Topolanek kategorisch ab. Das Parlament werde im Frühjahr über die US-Basis entscheiden, kündigte Topolaneks christdemokratische Verteidigungsministerin Vlasta Parkanova an. Denn bei der Radaranlage handle es sich um eine Frage der Sicherheitspolitik, da sei einzig das Parlament gefragt, sagte der Premier. Darüber solle auch Volkes Stimme entscheiden, meint wiederum Topolaneks politischer Widersacher, der sozialdemokratische Vorsitzende und Ex-Premier Jiri Paroubek. Die Sozialdemokraten wie auch die Kommunisten lehnen die US-Basis in Böhmen ab und fordern ein Referendum. Doch nicht nur die Opposition, auch die Grünen, immerhin Teil der Regierungskoalition, würden die Entscheidung über die Stationierung des Radars lieber dem Volk überlassen.

Zu Spannungen innerhalb Ostmitteleuropa haben die US-Pläne schon lange vor ihrer Verwirklichung beigetragen. Im Oktober 2006 hatte Moskau gewarnt, eine US-Präsenz in der Region "könnte negative Auswirkungen auf die gegenseitigen Beziehungen haben". In Tschechien scheint man die alten Freunde allerdings nicht mehr ernst zu nehmen. Auf die russischen Einwände reagierte die Regierung mit Unverständnis. "Ich betrachte die russischen Befürchtungen als absurd", so Premier Topolanek und empfiehlt den Russen, von den USA zu lernen: "Meiner Meinung nach werden auch sie in Zukunft zu einem Raketenabwehrsystem übergehen müssen."