Gegner fürchten staatliche Lenkung. | Andische Gottheit ersetzt Christentum.
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Für Boliviens Präsident Evo Morales wurde die Volksabstimmung zur Verfassungsänderung der erwartete Erfolg. Nach der ersten Auszählung am Sonntag haben sich 59 Prozent der 3,8 Millionen Wahlberechtigten für die neue Carta Magna ausgesprochen.
"Jetzt beginnt die Gleichberechtigung der Bolivianer!", verkündete Morales, der selbst von Aymara-Indianern abstammt, vor dem Präsidentschaftspalast in La Paz. Mit ihrem Ja zum Referendum stimmten die Bolivianer nicht nur für mehr Rechte der indigenen Bevölkerung, sondern auch für eine mögliche Wiederwahl ihres Präsidenten. Bisher hatte die Verfassung zwar die Möglichkeit einer zweiten Kandidatur des Staatsoberhaupts geboten, allerdings nicht in direkt aufeinanderfolgenden Amtsperioden. Nun könnte Evo Morales bei den Wahlen im Dezember als Präsident bestätigt werden und so noch bis 2014 im Amt sein.
Erst 1952 hatten die Indios in Bolivien, unter ihnen die Aymara, Quechua und Guarani-Indianer das Recht erhalten, selbst zu wählen. Der neuen Verfassung entsprechend werden sie in Zukunft auch im Parlament als Abgeordnete vertreten sein.
Kern der geänderten Verfassung ist die Neuverteilung von fruchtbaren Landstrichen im Osten des Landes. Grundbesitz wird auf 5000 bis 10.000 Hektar beschränkt. Bestehende Besitzverhältnisse bleiben allerdings von der Regelung ausgenommen - ein Zugeständnis Morales´ an die einflussreichen Großgrundbesitzer, deren Reichtum sich auf Viehzucht und den Anbau von Soja stützt. Gegner der Volksbefragung war neben den Großgrundbesitzern auch die katholische Kirche: In der neuen Verfassung soll die katholische Kirche nicht mehr erwähnt werden, dafür wird die andische Gottheit Pachamama darin festgeschrieben.
Den Referendumsgegnern ist auch Morales´ Vorstellung von größerer Kontrolle der Wirtschaft durch die Regierung ein Dorn im Auge. Die Verstaatlichung von Telefon- und Energieunternehmen unter Morales hat ausländische Geldgeber davon abgehalten, Kapital in das ärmste Land Südamerikas zu investieren. Die bolivianische Opposition fürchtet zudem, dass ihr Land zu sehr in den Dunstkreis von Venezuelas sozialistischen Präsidenten Hugo Chavez rücken könnte.