La Paz/Wien. (apa) Im September 2008 machte Bolivien eine Zerreißprobe durch, der Andenstaat stand am Rande eines Bürgerkriegs. In den vier von der konservativen Opposition beherrschten Provinzen Beni, Pando, Santa Cruz und Tarija war eine Rebellion gegen die linksgerichtete Zentralregierung von Indio-Präsident Evo Morales ausgebrochen, die in massiven Autonomieforderungen ihren Ausdruck fand. Letztlich gab es - nicht zuletzt durch Vermittlung der Kirche - eine Einigung auf ein Verfassungsreferendum, das nun am Sonntag zur Abstimmung kommt.
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Mit der neuen Konstitution will Morales das Land freilich nach seinem Muster zuschneiden und die "Indigenas" aus dem Abseits holen. Eine Mehrheit dürfte gesichert sein. Laut Umfragen kann er mit mindestens 60 Prozent rechnen. Der Widerstand der wohlhabenderen Provinzen und Bevölkerungsteile im östlichen und südlichen Tiefland wird deshalb aber nicht verschwinden, und die Autonomieforderungen könnten je nach Grad der Unzufriedenheit rasch wieder zu (taktischen) Abspaltungsdrohungen mutieren.
Mehr Rechte für Indios
Im Prinzip soll die neue Konstitution der über Generationen an den sozialen Rand gedrängten indigenen Mehrheit - sie macht rund 70 Prozent der Bevölkerung aus - mehr Rechte garantieren. Sie standen geradezu traditionell sozio-kulturell im Abseits, weil sie weitgehend aus dem politischen und wirtschaftlichen Leben ausgegrenzt waren. Der Verfassungsentwurf sieht einen wesentlich größeren Einfluss des Staates in der Wirtschaft sowie die Umverteilung von Wohlstand zugunsten der Indios vor. Zudem soll künftig jeder Staatsdiener neben Spanisch auch zumindest eine der 30 indigenen Sprachen beherrschen. Auch die Möglichkeit der Wiederwahl des Staatspräsidenten wird eingeführt.
Letztere war den Gegner von Evo Morales ein besonders spitzer Dorn im Auge. Schließlich wurde der Opposition aber der Kompromiss offenbar erleichtert, weil der Präsident bereits auf die Option einer ursprünglich vorgesehenen zweiten Wiederwahl verzichtete. Er könnte sich damit zwar heuer im Dezember für weitere fünf Jahre bewerben, nicht aber neuerlich für die Periode von 2014 bis 2019.
Mit seinem Projekt einer sozialistischen Gesellschaftsordnung prallt Morales frontal mit den wirtschaftlich erfolgreichen Unternehmern in Santa Cruz zusammen. Sie werfen dem Präsidenten vor, auf dem Rücken der erfolgreichen Wirtschaftselite nur noch Politik für die eigene Klientel zu machen.
Die Präfekten der vier widerspenstigen Departamentos haben jedenfalls bereits zum "Nein" aufgerufen - auch wenn die Mehrheit der Bolivianer Evo Morales zu einem klaren Sieg verhelfen dürfte.