Nach der Entmachtung von Evo Morales wählte das bolivianische Volk deutlicher als erwartet seinen Nachfolger und Parteifreund.
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Es war ein Wahlsieg in einer Höhe, den sich nicht einmal linke Bolivianer träumen haben lassen. Gleich im ersten Wahldurchgang dürfte der linksgerichtete Kandidat Luis Arce seine Gegner um Weiten geschlagen haben - und macht mit deutlich mehr als zehn Prozentpunkten Abstand zum Zweitgereihten einen zweiten Wahldurchgang jedenfalls unnötig. Die linke Regierung im Nachbarland jubelte: "Es ist ein Akt der Gerechtigkeit", schrieb der argentinische Präsident Alberto Fernandez auf Twitter - und meinte nichts Geringeres als die Antwort des bolivianischen Volkes an den Urnen.
Erstmals seit einem Jahr durfte das Volk wählen - denn vor einem Jahr war der Langzeitpräsident Evo Morales unter dem Druck von Straßenprotesten und dem Militär zurückgetreten und ins Ausland geflohen. Seine Anhänger sprachen damals von einem Putsch. Seine Gegner wiesen darauf hin, dass Morales selbst mit der Missachtung der Verfassung und des Referendums ebenfalls in gewisser Weise einen Staatsstreich hingelegt hatte, um lange nach der erlaubten Legislaturperiode an der Macht zu bleiben.
Anhänger und Gegner von Morales lieferten sich damals Straßenschlachten, auch zuletzt wurden immer wieder mit Straßenblockaden versucht, den Gegner einzuschüchtern. So warnten auch Wahlbeobachter - inklusive der EU - vor Gewalt am Wahltag.
Friedlicher Sonntag
Das hat sich nicht bewahrheitet, gekommen ist alles anders: Es war ein friedlicher Sonntag, an dem die Bolivianer - in "massiver Beteiligung", wie es die Behörden formulierten - an die Urnen gegangen sind. Und er hat ein Wahlergebnis gebracht, dass in der Deutlichkeit von den wenigsten erwartet wurde. Die Strahlkraft von Morales war zuletzt verblasst, aber sein Nachfolger, Luis Arce, hat offenbar wieder genug Vertrauen geschenkt bekommen. Der damalige Wirtschaftsminister von Morales führt nach einer Wählernachbefragung vom späten Sonntagabend (Ortszeit) mit 52,4 Prozent der Stimmen, gefolgt vom liberalen Kandidaten und Ex-Präsidenten Carlos Mesa mit 31,5 Prozent. Auf Platz drei lag der ultrarechte Bürgerkomitee-Führer Luis Fernando Camacho mit rund 14 Prozent der Stimmen.
Die Auszählung soll mehrere Tage dauern. Dennoch sagte auch die erzkonservative Übergangspräsidentin Jeanine Anez, nach vorliegenden Daten habe Arce gewonnen. Sie gratulierte ihm auf Twitter. Der 57-Jährige präsentierte sich bereits als künftiger Staatschef des politisch gespaltenen Landes. "Wir werden für alle Bolivianer arbeiten und eine Regierung der nationalen Einheit bilden", versprach Arce.
Morales sprach aus seinem Exil in Mexiko von einem "überwältigenden" Sieg der linken MAS-Partei. "Wir sind millionenfach zurückgekehrt, nun geben wir dem Volk die Würde und die Freiheit zurück."(wak)