Regisseur Sandeep Kumar ist vom Potenzial des neuen Genres überzeugt.
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Wien. Maya wurde in Indien mit einem Geschäftsmann verlobt - gegen ihren Willen. Noch mehr Trauer bereitet ihr der Tod ihrer geliebten Großmutter, die aus Tirol stammt und ihre letzten Lebensjahre in Indien verbracht hat. Um den letzten Willen ihrer Oma zu erfüllen, fliegt Maya nach Wien, wo eine abenteuerliche Reise beginnt, auf der sie den charismatischen Inder Jay kennenlernt. So beginnt "Servus Ishq" (Ishq = Liebe), ein Film, der sich als Vertreter des neuen Genres "Austro-Bollywood" versteht.
Filmregisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller in einem ist Sandeep Kumar. Als "sehr emotionale Liebesgeschichte" beschreibt er seinen Streifen: "Eine Inderin mit österreichischen Wurzeln entdeckt die wahre Bedeutung der Liebe. Der Film zeigt die Stärke der Liebe über alle Grenzen hinweg." Noch etwas anderes werde deutlich: "Wenn man sich von Herzen etwas wünscht und alles dafür gibt, geht es in Erfüllung. Das gilt auch für die Realisierung dieses Filmprojekts."
Drei Sprachen in einem Film
Unterstützt wurde die Produktion von Cine Tirol, Tourismus Hochsteiermark und Tourismus Wien sowie von privaten Partnern. Junge wie etablierte Schauspieler wirken mit. In die Rolle der 24-jährigen Maya schlüpft Victoria Nogueira, deren Wurzeln eigentlich in Brasilien und nicht in Indien liegen. "Es ist das erste Mal, dass eine österreichische Schauspielerin Songs auf Hindi singt", meint Sandeep Kumar. Insgesamt drei Sprachen werden in "Servus Ishq" gesprochen: Deutsch, Englisch und Hindi.
"Austro-Bollywood" sei ein neues Genre und nicht einfach ein Bollywood-Film in Österreich, unterstreicht Sandeep Kumar. Es ist bereits sein zweiter Spielfilm. Sein voriges Projekt "Kesariya Balam - Liebe ohne Grenzen" erhielt 2011 den österreichischen Staatspreis. Der neue Streifen soll aufwendiger werden. Dass die Kombination Bollywood und Österreich gut zusammenpasst, davon ist Sandeep Kumar fest überzeugt: "Es klingt seltsam, aber ich finde, dass Österreicher und Inder in vielerlei Hinsicht Ähnlichkeiten aufweisen." Das sei ihm bei seiner Übersiedlung von Deutschland, wo er als Geschäftsmann in Frankfurt gearbeitet hat, bewusst geworden. "Ich hatte in Österreich fast das Gefühl, in Indien zu sein. Die Österreicher sind viel gelassener als die Deutschen."
Hier erwachte auch von Neuem seine Leidenschaft für den Film. "Was wahrscheinlich viele Österreicher nicht wahrnehmen: Österreich ist ein wunderschönes Filmland. Jede Ecke hier könnte Kulisse eines Bollywood-Films sein."
Eigentlich hatte Kumar Technik in Deutschland und Wirtschaft in den USA studiert. Doch in seiner Schul- und Studienzeit in Neu Delhi hat er bereits Theater gespielt und Kurz- und Dokumentarfilme gedreht. "Filme waren und sind in Indien eine Religion. So Kino-verrückte Menschen wie in Indien habe ich nirgendwo auf der Welt erlebt."
Ein begeisterter Bollywood-Fan ist auch Produktionsleiterin Kerstin Peter. Die Studentin der Theater- und Medienwissenschaft sammelte schon vor zwei Jahren Erfahrungen bei einer Produktionsfirma in Neu Delhi. "Bollywood-Filme sind in Erzählweise und Bildsprache ganz anders", findet sie. "Oft kreisen sie um Familie und Liebe - ob unter Geschwistern, zu den Eltern oder zwischen Mann und Frau. Musik- und Filmindustrie arbeiten eng zusammen. Sänger werden durch Filme bekannt und umgekehrt."
Die Film-Gestaltung müsse nicht immer so realistisch sein. "Mitten im Song stehen die Sänger plötzlich auf einem Berg", erzählt Kerstin Peter. "Das ist ein wertvolles Stilmittel in Bollywood." Und noch etwas sei charakteristisch: "Die Filme verbreiten gute Laune und sind sehr lang. Da kann viel passieren. Die Handlung hat viele Wendungen, und es gibt mehrere Handlungsstränge."
Echte Bollywood-Fans können selbst von einzelnen Szenen nicht genug bekommen und schauen sie sich etliche Male an. "Das Geheimnis ist die Musik. Es sind Feel-Good-Filme", sagt Sandeep Kumar. "Die Seele wird stimuliert, man fühlt sich wohl." Mit Musik könnten auch österreichische Filme punkten, glaubt der indische Filmemacher.
Kritisch, was den österreichischen Film betrifft, ist Bildgestalter und Kameramann Satoshi: "Die jüngsten Erfolge sind toll, täuschen aber über die Probleme hinweg. Aufgrund der Größe des Landes ist nicht nur der Absatzmarkt kleiner, es fehlt auch die Breite an Ideen, Drehbüchern, und die höhere Konkurrenz. Deshalb werden auch mittelmäßige Geschichten verfilmt, was wiederum am meiner Meinung nach fehlenden Qualitätsbewusstsein der Zuseher liegt." Zudem lassen sich Investitionen in den Film nicht von der Steuer absetzen wie etwa in England, wo der gebürtige Österreicher mit japanischen Wurzeln derzeit als "director of photography" arbeitet. Ein sinnvolles Förderungssystem müsste junge Filmemacher und Kunst- und Nischenfilmen unterstützen, meint Satoshi, der in Österreich bereits zahlreiche Kurz- und Werbefilme gedreht hat.
Die Arbeit an "Servus Ishq" hat für ihn einen besonderen Reiz: "Bollywood ist ein für Österreich untypisches Genre; und natürlich ist es ein großer Markt. Wenn bloß ein Prozent der Inder den Film sehen, sind das immer noch zwölf Millionen Menschen!"
Die Songs zum Film stammen vom indischen Komponisten Afroz Khan. Wie in klassischen Bollywood-Filmen sind Lied- und Tanzszenen aufwendig inszeniert, Satoshi achtet bei der Bildgestaltung besonders auf den Faktor "Exotik". Die Lied-Szenen betrachtet er immer als Ganze, "um sie nicht mit unnötigem Schnitt zu MTV-Musikvideos verkommen zu lassen. Mir ist es wichtig, die richtige Atmung zu finden." Auf die in Bollywood-Filmen üblichen Zooms verzichtet er allerdings.
Die Dreharbeiten zu "Servus Ishq" sind fast abgeschlossen. Ab 2014 soll der Film auf Festivals in aller Welt gezeigt werden. Sandeep Kumar bastelt schon an einem neuen Drehbuch. Um indische Migranten soll es diesmal gehen und um Integration. "Liebe kann nicht erzwungen werden. So ist es auch bei der Integration", meint er. Beides müsse von innen kommen. "Unser Film bietet die Möglichkeit, die Schönheit dieses Landes neu zu entdecken." Das gelte auch für Migranten. "Uns würde es freuen, wenn wir hier einen kleinen, aber bedeutenden Beitrag zur Integration leisten."