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Bologna, 2.8.1980: Um 10.25 Uhr blieben die Uhren stehen

Von Rainer Mayerhofer

Europaarchiv
Ein ganzer Bahnhofsflügel versank im Schutt, heute erinnert ein verglaster Sprung (links) an der Fassade an den Anschlag, bei dem 85 Menschen starben. Foto: Archiv/rm

Anschlag vor 30 Jahren auf Bolognas Bahnhof kostete 85 Menschen das Leben. | Täter waren Rechtsextreme. +++ Die Hintermänner blieben im Dunkeln. | Wien/Bologna. Ein verglaster Riss in der Mauer des Wartesaals, der vom Boden bis zum Dach reicht, erinnert am Bahnhof von Bologna an den Anschlag vom 2. August 1980. Daneben stehen auf einer hellen Marmortafel die Namen der 85 Getöteten: Angela Fresu, drei Jahre, die Jüngste, Antonio Montanari, 86 Jahre, der Älteste.


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Ursprünglich hatte man nur 84 Todesopfer gezählt. Maria Fresu, die Mutter des jüngsten Opfers, blieb verschwunden. Erst Monate später konnte man aufgrund von ein paar Bluttropfen feststellen, dass auch sie bei dem Anschlag ums Leben gekommen war. Sie musste direkt über der Bombe gesessen sein.

Es war ein Samstag, 10.25 Uhr, als im Wartesaal zweiter Klasse ein Koffer mit 23 Kilogramm Sprengstoff explodierte und das Dach des ganzen Bahnhofsflügels zum Einsturz brachte. Unter den Toten waren auch zwei Taxifahrer, die vor dem Bahnhof auf Kunden gewartet hatten, und mehrere Reisende aus dem Zug Ancona-Chiasso, der zum Zeitpunkt der Explosion auf dem ersten Bahnsteig stand.

Rechtsextreme am Werk

Hatte man zuerst noch an einen Unfall geglaubt, - unmittelbar neben dem Wartesaal war das Bahnhofsrestaurant untergebracht - stellte sich schon bald die wahre Ursache heraus. Und die Spuren führten in rechtsextreme Kreise.

Vier Tage nach dem Attentat, bei dem auch an die 200 Menschen zum Teil schwer verletzt wurden, nahmen hunderttausende Menschen auf dem Hauptplatz der Stadt von den Opfern Abschied.

Italiens gesamte politische Führung - von Premierminister Francesco Cossiga abwärts - war gekommen und wurde - mit Ausnahme des greisen Staatspräsidenten Sandro Pertini - ausgebuht. Ähnliches wiederholte sich in den folgenden Jahren bei den jeweiligen Gedenkfeiern am 2. August.

Der bis heute schwerste Terroranschlag, von dem Italien seit Ende des Zweiten Weltkrieges betroffen war, ist nie wirklich aufgeklärt worden. Zwar wurden in acht Prozessen in den Jahren 1988 bis 1994 drei Neofaschisten als unmittelbare Täter verurteilt, die Hintermänner blieben aber weiter im Dunkeln.

Das Ehepaar Giuseppe Valerio Fioravanti und Francesca Mambro, die lebenslänglich erhielten, inzwischen aber wieder auf freiem Fuß sind, und der zu 30 Jahren Haft verurteilte Luigi Ciavardini, die als die Ausführenden verurteilt wurden, haben immer ihre Unschuld betont.

Am 9. Juni 2000 wurden der Rechtsextremist Massimo Carminati wegen Legung falscher Spuren zu neun Jahren Haft verurteilt. Je viereinhalb Jahre Haft gab es aus den gleichen Gründen für den ehemaligen Direktor des Militärgeheimdienstes von Florenz, Federigo Mannucci Benincasa, und für Ivano Bongiovanni, einen Kriminellen mit Verbindungen zur rechtsextremen Szene.

Falsche Spuren

Schon vom Anfang an waren die gerichtlichen Untersuchungen durch eine Reihe von falschen Spuren und Irreführungen, hinter denen die Geheimdienste und die Geheimloge Propaganda Due (P2) standen, behindert. In einem der Prozesse standen auch zwei Beamte des damaligen militärischen Geheimdienstes Sismi und der Chef der P2, der undurchsichtige Licio Gelli, vor Gericht und wurden zu Haftstrafen verurteilt.

Die Verwicklung des Sismi und der P2 in den Anschlag deuten nach Ansicht der Richter darauf hin, dass das Attentat mit der sogenannten "Strategie der Spannung" im Zusammenhang steht. Damit sollte eine politische Erneuerung in Italien, das seit 1945 ununterbrochen von den Christdemokraten regiert worden war, verhindert werden.

Unmittelbar nach dem Anschlag hatte man versucht, die Spuren auf linksextreme Kreise zu richten, wie es auch schon bei früheren Attentaten geschehen war - wie etwa beim Anschlag auf die Mailänder Landwirtschaftsbank am 12. Dezember 1969 mit 17 Toten, für den man zuerst Anarchisten verantwortlich machte.

Etwa ein halbes Jahr nach dem Anschlag von Bologna, am 13. Jänner 1981, wurde im Zug von Taranto nach Mailand ein Koffer mit einem Maschinengewehr und Sprengstoff entdeckt, der identisch mit dem war, der am Bahnhof von Bologna zum Einsatz gekommen war. Erst Jahre später konnte diese falsche Spur dem Militärgeheimdienst zugeordnet werden.

Angesichts dieser Hintergründe darf es nicht verwundern, dass die Urteile zum Anschlag auf den Bahnhof von Bologna niemanden in Italien wirklich zufriedenstellen. Die politischen Lager werfen sich jeweils am Jahrestag des Anschlags vor, die wirklichen Fakten unter dem Teppich halten zu wollen.