Bologna-Prozess für mehr Mobilität und höhere soziale Durchlässigkeit. | Massive Verkehrsbehinderungen in Wien erwartet. | Wien. "Bologna burns" - unter diesem Motto werden heute, Donnerstag, Nachmittag bis zu 15.000 Studenten in Wien auf die Straße gehen. Ziel des Protests: Die Jubiläumskonferenz zum Bologna-Prozess, die heute und morgen in Budapest und Wien stattfindet. | Leitartikel: Bologna und der Prozess | Gastkommentar: Unis in Europa: Es gibt nichts zu feiern
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Dabei tauschen sich die Wissenschaftsminister der 46 Mitgliedsstaaten des sogenannten Bologna-Prozesses über dessen Umsetzung in den jeweiligen Ländern aus und beraten über Verbesserungsmöglichkeiten.
Ziel der vor zehn Jahren in der italienischen Stadt Bologna unterzeichneten Erklärung war die Schaffung eines Europäischen Hochschulraums auf freiwilliger Basis. Neben der Erhöhung der Attraktivität Europas als Wissenschaftsstandort sollte die Mobilität von Studenten und Forschern erhöht und Menschen aus sozial niedrigeren Schichten der Uni-Zugang ermöglicht werden. Zur Umsetzung des Prozesses wurde daher die Einführung eines dreigliedrigen Studiensystems - Bachelor, Master und PhD - beschlossen, auch sollte mit dem "European Credit Transfer System" die Vergleichbarkeit der Studienabschlüsse sichergestellt werden.
Studenten: Verschulung und Ökonomisierung
Dass das, was als Verbesserung für die Studierenden gedacht war, nun für Massenproteste sorgt, hat mehrere Gründe: Einerseits beklagen die Studenten eine massive Verschulung, mit der sie durch die Umstellung der alten Diplomstudien auf Bachelor und Master zu kämpfen hätten. So seien freie Wahlfächer gestrichen und durch Erweiterungscurricula ersetzt worden - fixe Fächerblöcke, die keine echte Wahlfreiheit mehr zulassen würden.
Zudem wurden oft vierjährige Diplom- in dreijährige Bachelorstudien gequetscht - mit dem Ergebnis, dass sich die Studierenden nun überfordert fühlen. Auch steht gerade beim Bachelor die "employability", also die "Beschäftigungsfähigkeit" im Vordergrund, was die Studenten als zu starke Ökonomisierung der Bildung kritisieren.
Wissenschaftsministerin Beatrix Karl steht zwar grundsätzlich hinter dem Bologna-Prozess - in der Frage der verschulten Studienpläne kann sie die Studenten aber verstehen. Die Umstellung auf die Bologna-Struktur habe an einigen Unis nicht besonders gut geklappt, daher will sie nun Richtlinien für die Umsetzung erarbeiten. Werden diese von den Unis nicht angenommen, kann sie sich auch gesetzliche Maßnahmen vorstellen.
Das wiederum wollen die Rektoren nicht, die auch die Umsetzung Bolognas verteidigen. "Ich warne davor zu sagen: Bologna ist gut, nur die Unis haben es schlecht umgesetzt", sagt der Rektor der Wirtschaftsuni Wien, Christoph Badelt. Er kritisiert vor allem, dass den Unis Vorgaben - wie zum Beispiel jene, dass der Bachelor "beschäftigbar" machen muss - gemacht wurden, ohne ihnen gleichzeitig mehr Geld in die Hand zu drücken. Ähnlich argumentiert der Vizerektor der Uni Wien, Arthur Mettinger: "Es ist schwer, Curriculareformen zum Nulltarif zu machen."
Experte: Studienpläne "massiv nachjustieren"
Auch Michael Landertshammer, Leiter der Abteilung Bildungspolitik in der Wirtschaftskammer, erklärt, dass es für die Unis "ein bisschen viel auf einmal" war, sie gleichzeitig in die Autonomie zu entlassen und die Implementierung des Bologna-Prozesses zu verlangen. Nun bedürfe es einer "gemeinsamen Kraftanstrengung": Auch er glaubt, dass man bei den Studienplänen noch "massiv nachjustieren" muss.
Die dem Bachelor-Abschluss oft vorgehaltene mangelnde Beschäftigungsfähigkeit kann Landertshammer aber nicht bestätigen: "Es ist nicht die Realität, dass die Betriebe nicht wissen, was ein Bachelor ist", sagt er. In der Wirtschaft sei der Abschluss mittlerweile bekannt.
Nichtsdestotrotz rechnen die Veranstalter von "Bologna burns" heute mit bis zu 15.000 Teilnehmern an ihrer Demonstration. Für die Wiener heißt das vor allem eines: Staus. Denn die Demonstration wird ab etwa 16.30 Uhr vom Westbahnhof über die Mariahilferstraße, Zweierlinie und die Universitätsstraße auf den Ring ziehen. Vor dem Burgtor findet zwischen 17 und 18 Uhr eine Abschlusskundgebung statt. Dann wollen die Studenten mit Sitzblockaden die Zugangswege zum Tagungsort, der Hofburg, versperren.
Rund um die Hofburg hat die Polizei ab 14 Uhr ein großräumiges Platzverbot erlassen. Das abgesperrte Terrain, in das nur Teilnehmer der Konferenz und Anrainer dürfen, reicht von der Rückseite der Staatsoper über Albertinaplatz und Herrengasse bis zur Bankgasse, weiters von der Löwelstraße über den gesamten Heldenplatz, die Augustinerbastei bis zur Oper.
Gegen 19 Uhr sind massive Verkehrsbehinderungen rund um den Ostbahnhof, Prinz-Eugen-Straße, Schwarzenbergplatz, Ring und in der Innenstadt zu erwarten. Zwischen 14 und 21 Uhr sollte man daher auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Doch auch das ist schwierig: Die Linien 1A, 2A und 3A stellen ab 17 Uhr den Betrieb ein, die Straßenbahnen 1, 2 und D werden kurzgeführt oder über den Franz-Josefs-Kai umgeleitet. Behinderungen gibt es auf den Linien 13A, 43, 44, 46, 48A und 49.