Europa hat durch die Bologna-Struktur (Bachelor, Master, PhD) den europäischen Hochschulraum geschaffen. Um diesem Sinn zu geben und ihn mit Leben zu erfüllen, müssen die Studierenden dieses neue System erstens einmal in ihren Heimatstaaten annehmen. Zweitens aber hat dieser ganze Umstrukturierungsprozess an den Universitäten nur dann eine tiefere Bedeutung, wenn ganz Europa als Studienraum genützt wird. Wenn also die Studenten tatsächlich auswärts studieren und deren Diplome überall anerkannt werden.
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Da schon der Studierendenaustausch allein zwischen Österreich und Deutschland vor allem für Österreich ein massives Problem aufwirft, was wird dann erst, wenn immer mehr Studierende die Grenzen überschreiten? Bilaterale Lösungen dafür werden nicht einfach - vor allem dann nicht, wenn der österreichische Wissenschaftsminister Johannes Hahn der deutschen Wissenschaftsministerin Annette Schavan gegenübersteht, die in Fragen der Hochschulfinanzierung gar nichts zu sagen hat.
Muss Hahn dann mit allen 16 deutschen Bundesländern einen Schlüssel ausverhandeln, der pro Studierendem zu zahlen ist? Und wie verhält es sich mit jenen fünf Ländern - Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen -, in denen es Studiengebühren gibt? Wenn dort Österreicher studieren, die ohnehin schon Gebühren bezahlen, muss Österreich dann trotzdem noch einen Beitrag leisten?
Dass die Bologna-Struktur auch eine europäische Universitätenfinanzierung, zumindest aber eine Art Ausgleichsfinanzierung braucht, liegt auf der Hand. Vor allem für kleine Staaten, die einen besonders großen Einzugsbereich aus anderen Ländern haben, wird die Lösung dieser Frage immer drängender.
Dieser Ruf nach einer europäischen Finanzierungslösung hat aber auch eine problematische Seite. Denn wenn ein Land befindet, es braucht pro Jahr nur 2000 Medizin-Abgänger einer Uni, warum sollte es dann an ein anderes Land Ausgleichszahlungen dafür leisten, dass ihm dieses weitere 300 Ärzte oder mehr produziert, die gar nicht benötigt werden.
Mit Bologna wurde ein Schritt gesetzt, der in die Universitätsstrukturen der Länder massiv eingreift. (Hinzu kommt, dass der Europäische Gerichtshof eine unterschiedliche Behandlung von Österreichern und anderen EU-Bürgern untersagt - was ja schließlich zu den Aufnahmeverfahren vor allem an den Medizin-Universitäten geführt hat.) Sehr wahrscheinlich muss dem Bologna-System eine Gesamtlösung für den europäischen Hochschulzugang folgen. Womit den Staaten wieder einmal etwas von ihrer Eigenständigkeit genommen wird.