Zum Hauptinhalt springen

"Bolsonaro ist mitschuldig an der Amazonas-Zerstörung"

Von Thomas Seifert

Politik

Der brasilianische Umweltaktivist Paulo Adario erhebt schwere Vorwürfe gegen den Präsidenten.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Paulo Adario ist seit vielen Jahren Aktivist der Umweltorganisation Greenpeace. Derzeit ist er in Madrid und wirbt bei der Klimakonferenz für einen Schutz der Regenwälder und des Amazonas-Gebietes.

"Wiener Zeitung": Sie sind als Regenwald-Experte für Greenpeace bei der internationalen Klimakonferenz in Madrid. Was sagen Sie dort den Delegierten?Paulo Adario: Allen muss klar sein, dass das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Temperaturerhöhung zu begrenzen, nur dann möglich ist, wenn wir den Regenwald schützen. Das ist auch Konsens hier in Madrid. Die Regenwälder der Erde - der Amazonas ist das größte Regenwaldgebiet des Planeten - entnehmen Kohlendioxid aus der Atmosphäre und die Wälder produzieren Sauerstoff. Dazu kommt der Wasserdampf, der sich wie eine Glocke über den Wald legt und der Luft Feuchtigkeit spendet.

Vor einigen Monaten wüteten heftige Waldbrände im Amazonas. Hat sich die Situation entspannt?

Die Situation ja. Generell: Nein. Es hat sich seit dem Sommer in Brasilien nichts verändert: Die Regenwaldzerstörung, die Ende August nach wirklich eskaliert ist, ist nicht gestoppt, die Landräuber und die Holzmafia werden in der nächsten Saison wieder ihre Brände legen.

Der Ton der brasilianischen Regierung hat sich verändert, noch vor ein paar Wochen hat Präsident Jair Bolsonaro jede Kritik an der Regenwaldzerstörung zurückgewiesen.

Präsident Jair Bolsonaro trifft ein großer Teil der Mitschuld, wenn es um die Zerstörung des Amazonas geht. Denn er hat die Landgrabber und die Tropenholzmafia geradezu eingeladen, zu tun und zu lassen, was sie wollen. Nun kommen aus Brasilia andere Töne. Warum? Die Regierung will Gelder des Klimafonds anzapfen. Man muss sich das vorstellen! Im September hat Bolsonaro gesagt, der Amazonas gehöre Brasilien und sonst niemandem. Und als im November ein offizieller Bericht zu dem Schluss gekommen ist, dass die Regenwaldzerstörung während seiner Präsidentschaft an einem Elf-Jahres-Hoch angelangt ist, sagte er, dass die Brände und die Entwaldung "nie" aufhören würden. "Das ist kulturell bedingt." So wurde er Ende November zitiert. Wie glaubwürdig also das jüngste scheinbare Einlenken? Ich gebe nur ein Beispiel: Bolsonaro wird den Landraub von zehn Millionen Hektar - die Fläche von Belgien mal drei - im Amazonas mit einem Federstrich legalisieren. Wir sprechen da von Land, das bisher in öffentlichem Eigentum war.

Zuletzt gab es kritische Stimmen aus dem brasilianischen Agro-Business.

Das ist korrekt. Ein Teil des Agrobusiness ist in Sorge, dass die brasilianische Landwirtschaft durch die umweltzerstörende Politik Bolsonaros einen schweren Imageschaden erleiden könnte und Konsumenten - vor allem in Europa - brasilianische Landwirtschaftsprodukte in Zukunft meiden. Das Image leidet völlig zu Recht: Es geht nicht nur um katastrophale Umweltzerstörung, sondern es sind auch bereits neun indigene Menschen getötet worden. Es gibt aber auch handfeste ökonomische Interessen, die aus Sicht mancher Vertreter des Agro-Business gegen eine weitere Zerstörung des Amazonas sprechen: Manche Bauern befürchten, dass der Regenwald zur Savanne wird. Damit würden sich aber die Niederschlagsmuster ändern und die Bauern müssten Angst um ihr Wasser haben.

Sie beschuldigen Präsident Bolsonaro, an der Amazonas-Zerstörung Mitschuld zu tragen. Warum?

Bolsonaro hat Farmern und Tropenholz-Lobbies versprochen, er werde den Amazonas für die Wirtschaftsentwicklung öffnen. Er hat die Umweltbehörden als eine Umweltstrafen-Industrie hingestellt, die nichts Besseres zu tun hat, als die armen Bauern zu ärgern, nur weil sie den Regenwald abholzen. Das ist natürlich Unsinn. Bolsonaro baut die Strukturen der Behörden, die Öko-Verbrechen bekämpfen sollen, Stück für Stück ab. Für Bolsonaro sind die Umweltschützer und die Umweltbehörden die Bösen, während die Landräuber, Großgrundbesitzer und Waldzerstörer die Guten sind. Bolsonaro hat in der Vergangenheit immer wieder mit sehr seltsamen Wortmeldungen zum Thema Amazonas aufhorchen lassen: Die ganze Debatte rund um den Schutz des Amazonas ist für ihn eine kommunistische Verschwörung mit dem Ziel, die Entwicklungsmöglichkeiten Brasiliens zu bremsen, damit das Land später von reichen Ländern okkupiert werden kann. Absurd. Jetzt wiederum will Brasilien Geld - unter anderem von Europa - für den Schutz des Amazonas.

Zur Person~ Paulo Adario ist seit vielen Jahren Amazonas-Aktivist der Umweltorganisation Greenpeace.