Der Motorrennsport war nach dem Krieg das Terrain der harten Männer und ein Ort der Sehnsucht nach Unterhaltung und Abwechslung. Ein Rückblick.
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Es sind Namen wie Wolfgang Denzel, Otto Mathé, Martin Schneeweiß, Fritz Dirtl und Rupert Hollaus, deren Bekanntheit sich bis heute erhalten hat und die man untrennbar mit dem Motorsport der Nachkriegszeit in Verbindung verbringt. Einer Zeit, in der über Alpenpässe harte Bewährungsproben für Mann und Maschine ausgefochten und auf schmalen Stadtstraßen so etwas wie Rundstreckenrennen ausgetragen wurden. Einer Zeit, in der Sand, Gras und Eis als geeignete Untergründe für packende Konkurrenzen herhielten und Publikumsmagnet für Zehntausende Zuschauer waren.
Es liegt nahe, jene Jahre zu einem Männermythos zu verklären, in denen die Helden der Schützengräben zu jenen der Rennbahnen mutierten, auf denen sie in beinhartem Nahkampf die Gegner niederrangen. Tatsächlich waren die Rahmenbedingungen, unter denen diese Veranstaltungen stattfanden - von den Straßen über die Strecken- und Zuschauerabsicherung bis hin zum eingesetzten Fahrmaterial - abenteuerlich. Und unbestritten war die Opferzahl bei Motorsportveranstaltungen - gemessen an heutigen Maßstäben - inakzeptabel hoch, wurde aber dem Zeitgeist entsprechend als Berufsrisiko eingestuft.
Der Rennbetrieb wurde bereits im Herbst 1945 mit dem Rennen "Rund ums Heustadelwasser" in Wien wieder aufgenommen, und schon im Jahr darauf folgten das "Race of the Ries" in Graz sowie einige Sandbahnrennen, um deren Wiederbelebung sich vor allem der dreifache Vizeweltmeister Leopold Killmeyer eingesetzt hatte. Als bedeutendster Motorsport-Organisator trat nach der 1946 erfolgten Fusionierung des Österreichischen Automobilclubs mit dem Österreichischen Touringclub der ÖAMTC auf, bei dem auch die Oberste Nationale Sportkommis-sion für den Kraftfahrsport (OSK des ÖAMTC) angesiedelt und als Vertreter des österreichischen Motorsports bei den internationalen Auto- und Motorradvereinigungen FIA und FIM aufgetreten war. 1947 gab es die ersten regulären Rennsportveranstaltungen und auch einen nationalen Sportkalender.
Motorsport in der Nachkriegszeit hieß vor allem Motorradsport. Für 1950 wies der Rennkalender von 72 angekündigten Motorsportveranstaltungen 59 für Motorräder aus, in Lustenau wurde einmalig sogar der "Große Preis von Österreich" ausgetragen, ab 1952 organisierte der ARBÖ das "1.-Mai-Rennen", ein Motorrad-Event auf dem "toten" Autobahnstumpf in Liefering. So war es nicht verwunderlich, dass die ersten großen heimischen Motorsportstars die Sandbahnfahrer Martin Schneeweiß und Fritz Dirtl sowie der Straßenweltmeister von 1954, Rupert Hollaus, waren. Wesentlich für ihre Erfolge waren neben ihrem fahrerischen Können handwerkliches Geschick und technisches Know-how.
Martin Schneeweiß, Sandbahn-Europameister von 1937, hatte bereits vor dem Krieg eine spezielle Gummi-Hinterradfederung entwickelt, von der noch Fritz Dirtl, der nach Schneeweiß’ Tod 1947 das Motorrad "geerbt" hatte und in den 1950er Jahren als der schnellste Sandbahn- und Speedwayfahrer Mitteleuropas galt, profitieren sollte. Ehe Rupert Hollaus von NSU als Werksfahrer engagiert wurde, bildete der gelernte Kfz-Mechaniker mit Vater und Bruder, beide ebenso fachkundig wie er, einen erfolgreichen Privat-Rennstall. Für eine in der eigenen Werkstatt in Traisen nachgebaute Langbeinschwinge hatte es seitens anderer Rennfahrer eine derart große Nachfrage gegeben, dass man "ungeschaut eine Kleinserie hätte auflegen können", wie Hollaus’ Bruder Reinhart vor vielen Jahren dem Autor in einem Interview verriet. Ebenso wie Schneeweiß starben auch Hollaus und Dirtl den Rennfahrertod.
Im Licht der Motorradveranstaltungen fristeten Autorennen zunächst nur ein Schattendasein. Zu klein war das Starterfeld, zu schlecht das Fahrmaterial. Beim Innsbrucker Hungerburgrennen 1947, das als Wiedergeburts-
stunde des heimischen Autorennsports gilt, siegte der deutschstämmige "Bergkönig" Hans Stuck, der dank eines österreichischen Passes und einer ÖAMTC-Fahrerlizenz im Gegensatz zu seinen bis 1950 für Auslandsrennen gesperrten Landsleuten an den Start durfte, ohne nennenswerte Konkurrenz in einem Cisitalia.
Der kleine italienische Rennwagenhersteller war zu jener Zeit insolvent, Karl "Carlo" Abarth führte bereits Übernahmeverhandlungen. Der Italo-Österreicher war eine schillernde Figur im heimischen Rennsport, der vor dem Krieg Sandbahnrennen fuhr und 1934 als Beifahrer von Martin Schneeweiß in einem selbst konstruierten Beiwagengespann auf der Strecke Ostende-Wien eine medienwirksame Wettfahrt gegen den Orientexpress gewann. Nach dem Krieg wurde Abarth als Motortuner und Hersteller von Eigenkonstruktionen bekannt.
Alpenfahrt
1949 erlebte die traditionsreiche Österreichische Alpenfahrt, deren Vorkriegs-Ruhm immerhin 48 Fahrer an den Start lockte, ihre Wiederauflage. Der Tscheche Karel Vrdlovec gewann das Rennen in einem Tatra, der aus Graz stammende BMW-Vertreter Wolfgang Denzel, der mit einem Eigenbau auf VW-Basis angetreten war, die Sportwagenklasse bis 1100 ccm. Der Tiroler Otto Mathé, der nach einem Motorradunfall nur mehr den linken Arm gebrauchen konnte, fiel auf dem Ur-Porsche "Typ 64" zwar aus, konnte das Rennen aber im darauffolgenden Jahr gewinnen.
Nach dem Höhepunkt 1951, als der ÖAMTC und der deutsche Schwesterclub ADAC als gemeinsame Veranstalter auftraten und das Starterfeld für die Strecke über die österreichischen Alpen und durch das bayrische Voralpenland 111 Fahrer zählte, nahm der Stellenwert der Alpenfahrt aufgrund der vom ÖAMTC vorgenommenen motorradlastigen Gewichtung des Programms in den kommenden Jahren rapide ab.
Die zumeist in kleineren Städten ausgetragenen Rennen "rund um den Kirchturm" waren bis Mitte der 1950er Jahre fixer Bestandteil des Rennkalenders und höchst populär. Dicht drängten sich am Straßenrand tausende Zuschauer, um Autos und Motorräder mit manchmal kuriosem Design und abenteuerlichem Unter- oder Übersteuern aus nächster Nähe zu erleben. Bei den Autorennen waren Otto Mathé mit seinem selbst gebauten "Fetzenflieger", einer Mittelmotorrennflunder mit einem 1500-ccm-Porschemotor, und Kurt Koresch auf BMW-Veritas die heimischen Größen: Der einarmige Tiroler dominierte die kleinen, der Personaldirektor der Österreichischen Nationalbank die großen Klassen.
Auch im Ausland konnten Österreicher reüssieren. Paul Fürst Metternich, Spross eines berühmten Adelsgeschlechts, belegte bei der Carrera Panamericana Mexicana 1952 mit einem Porsche 1500, dem hubraumkleinsten Wagen des Rennens, den beachtlichen achten Platz. Als Reminiszenz an diesen Erfolg brachte die Sportwagenschmiede drei Jahre später ein Modell unter der Bezeichnung "Carrera" auf den Markt. Wolfgang Denzel sorgte 1954 mit seinem Sieg bei der 17. Auflage der Coup des Alpes für einen der größten österreichischen Rallyeerfolge, und Gotfried Köchert, dem "rasenden Juwelier" aus Wien, gelang es als erstem Österreicher, am Nürburgring am obersten Treppchen zu stehen. Im Rahmenprogramm zum Grand Prix hatte er das Sportwagenrennen bis 1500 ccm gewonnen.
Just in diese Aufbruchsstimmung hinein erließ die OSK 1956 ein Verbot für Automobil-Straßenrennen. Gerechtfertigt sah man dies durch einen gerade noch glimpflich ausgegangenen Feuerunfall beim Bäderpreis von Traiskirchen, aber wohl auch durch eine mehrere Todesopfer fordernde Mille Miglia sowie die Katstrophe von Le Mans im Jahr davor. Vom Verbot ausgenommen waren eigens angelegte Rennstrecken - aber die gab es noch nicht.
In dieser Situation entstand Ende 1956 mit dem Österreichischen Automobil-Sport-Club (ÖASC) ein neuer Veranstalter. Dessen treibenden Kräfte Willy Löwinger, Ernst Vogel und Martin Pfundner organisierten 1957 erstmals auf dem Flugplatz in Aspern ein internationales Rundstreckenrennen, trugen am Salzburger Gaisberg den ersten FIA-Meisterschaftslauf Österreichs aus und sorgten für die Wiederbelebung der Österreichischen Alpenfahrt, die unter der Bezeichnung Semperit-Rallye fester Bestandteil der österreichischen Motorsportgeschichte wurde und in den 1960er Jahren mehrmals zur Rallye-EM zählte.
Flugplatzrennen
Neben dem boomenden Rallyesport waren die End-50er und 1960er Jahre eindeutig die Jahre der Flugplatzrennen, wie etwa jene in Innsbruck, Langenlebarn, Linz, Graz, Klagenfurt und Aspern. Zum wichtigsten Flugplatzrennen entwickelte sich Zeltweg, wo 1963 Österreichs erster Formel-1-Grand-Prix und ein Jahr später der erste heimische Formel-1-WM-Lauf ausgetragen wurde. Nahezu zeitgleich mit dem Aufstieg von Zeltweg erfolgte auch der Karriereverlauf von Jochen Rindt, der sich auf Simca und Alfa Romeo die ersten Sporen verdiente, später Formel-Junior-Fahrer in der von Curt Barry, Rolf Markl und dem Schauspieler Gunther Philipp gegründeten "Ecurie Vienne" wurde und schließlich mit beeindruckenden Formel-2-Erfolgen und dem Le-Mans-Sieg 1965 den Sprung in die Formel 1 schaffte.
1969 wurde in Zeltweg - nahezu zeitgleich mit dem Salzburgring - der Österreichring eröffnet, auf dem 1970 die Formel 1 erstmals gastierte und die in Massen herangeströmten Zuschauer einen Sieg des Belgiers Jacky Ickx und den Ausfall Jochen Rindts erlebten. 1970 stellte in doppelter Hinsicht eine Zäsur im österreichischen Motorsport dar: Zum einen verlor er drei Wochen nach dem Zeltweg-GP in Monza seine Lichtgestalt Rindt, zum anderen war mit der Inbetriebnahme der beiden Rennstrecken unwiderruflich die Ära seiner Professionalisierung angebrochen.
Sport-Symposium
Am 18. und 19. September findet in Wien das internationale Symposium "Images des Sports in Österreich. Innensichten und Außenwahrnehmungen" statt.
"Haus des Sports", Prinz-Eugen-Straße 12, 1040 Wien. Nähere Informationen unter: www.univie.ac.at/zeitgeschichte/
Thomas Karny, geboren 1964, ist Sozialpädagoge, Autor und Journalist. Mehrere Buchveröffentlichungen zur Zeit- und Motorsportgeschichte. Lebt in Graz.