Premier Reinfeldt: Schweden bleibt offene Gesellschaft. | Verbindung zu Al Kaida ist bis dato nicht erwiesen. | Stockholm. Zwei Explosionen erschütterten am Samstag das Zentrum Stockholms. In Schweden herrscht nun Angst vor weiteren Anschlägen. Die Detonationen ereigneten sich im Abstand von wenigen Minuten an zwei verschiedenen Orten, beide sind nicht weit von einander entfernt und liegen in der Nähe jenes Gebäudes, wo die Nobelpreise überreicht wurden. | Terror-Alptraum in Stockholm
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Sehr schnell war klar, dass es sich um einen Selbstmordanschlag handelte. Seit Sonntag sind Beamte der Sicherheitspolizei "Säpo" mit der Aufklärung des Falls beschäftigt. "Der Täter war für uns ein unbeschriebenes Blatt", räumt Säpo-Sprecherin Tina Israelsson gegenüber der "Wiener Zeitung" ein. Bei dem Terroristen handelt es sich um Taimur Abdel Wahab, einen 29 Jahre alten Immigranten aus dem Irak, der 1992 nach Schweden gekommen ist. Staatsanwalt Tomas Lindstrand zeigte sich am Montag zu "98 Prozent sicher", dass es sich bei dem Urheber beider Anschläge tatsächlich um Wahab handle. Eine Identifikation der Leiche durch Familienangehörige steht aber noch aus. Zudem wurde bestätigt, dass jenes Droh-E-Mail, das Minuten vor den Anschlägen bei Polizei und der Presseagentur TT eingelangt war, von Wahabs Telefon abgeschickt worden war.
In dem Mail spricht der Terrorist von Anschlägen gegen Zivilisten und ruft zum "Heiligen Krieg" auf. Zudem verurteilt er den schwedischen Karikaturisten Lars Wilks und den schwedischen Militäreinsatz in Afghanistan.
Täter hatte belebtePlätze im Visier
Der erste Anschlag ereignete sich exakt um 16.50 Uhr - Wahabs Audi ging in Flammen auf. Zudem waren leichte Explosionen zu hören, offenbar detonierten Benzinkanister, die in dem Auto gelagert waren. Passanten liefen schreiend auseinander, verletzt wurde niemand. Wenige Minuten später kam es einige hundert Meter weiter in einer Seitenstraße zu einer zweiten Explosion. Der Selbstmordattentäter war sofort tot, zwei Passanten wurden verletzt. "Wir nehmen an, dass die Explosion so vom Täter nicht geplant war. Er befand sich in unmittelbarer Nähe sehr belebter Plätze, wir glauben deshalb, dass er dorthin unterwegs war", so Säpo-Sprecherin Israelsson. In Schweden wird spekuliert, dass der Stockholmer Zentralbahnhof oder "Ahlens City", ein Großkaufhaus, eigentliches Ziel des Anschlages waren. Schwedische Medien berichten, dass der Attentäter sechs Rohrbomben mit sich trug, aber nur eine explodierte. Zudem führte Wahab einen Rucksack mit Bomben und Nägeln mit sich.
Am Sonntag gab Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt eine erste Stellungnahme ab: "Die Tat ist unentschuldbar", so der Premier. Trotzdem müsse Schweden "eine offene Gesellschaft" beibehalten, in der "die Menschen Seite an Seite zusammenleben können", so der Premier. In der gegenwärtigen Situation sei es überdies wichtig, "keine voreiligen Schlussfolgerungen zu ziehen".
Auch wenn einige Medien die Vermutung aufstellen, die Al Kaida könnte etwas mit dem Anschlag zu tun haben: Die mit dem Fall befasste Staatsanwaltschaft und die Polizei betonen, dass die Attentate nach derzeitigem Wissenstand das Werk eines Einzeltäters waren. Staatsanwältin Agnetha Hilding Qvarnström bestätigte gegenüber der "Wiener Zeitung", dass es keine Hinweise auf Verwicklung der Al Kaida gebe. Andere Darstellungen seien "Spekulation". Erwiesen ist hingegen, dass das explodierte Auto in Tranas, einer südwestlich von Stockholm gelegenen Stadt, auf Wahab zugelassen ist. Bekannt ist zudem, dass der Attentäter verheiratet und Vater zweier Töchter war und mit radikalislamischen Lehren sympathisierte.
Die britische Polizei hat unterdessen ein Haus in Bedfordshire durchsucht, weil Wahab in einer nahe gelegenen Universität studierte und in der Stadt Luton gewohnt hat. Bei der Suche wurde offenbar nichts Wesentliches gefunden - allerdings gilt Luton als eine Hochburg radikaler Islamisten. Die Terroristen, die 2005 den verheerenden Anschlag auf die Londoner U-Bahn verübten, bewegten sich dort. Es wird spekuliert, dass Wahab Teil der Islamisten-Szene war.
Knapp vor den Anschlägen zeigte eine Umfrage auf, dass die islamfeindlichen und rassistischen Schwedendemokraten - eine Partei, die ihre Wurzeln in der Neonazi-Szene hat - zuletzt stark an Popularität dazugewonnen haben. Vor zwei Monaten zogen sie ins Parlament ein, seitdem stieg ihre Beliebtheit um 17,5 Prozent.
"Schweden ist eine offene, tolerante Gesellschaft und das wollen wir bleiben", bekräftigt indes Roberta Alenius, Sprecherin von Premier Reinfeldt, gegenüber der "Wiener Zeitung".