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Boni trotz Verlusten? Jobkürzungen trotz Gewinnen?

Von Erhard Fürst

Gastkommentare
Erhard Fürst war Leiter der Abteilung Industrie- und Wirtschaftspolitik in der Industriellenvereinigung.

Was man bei aller Kritik an Siemens und der Deutschen Bank mitberücksichtigen sollte.


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Zwei Entscheidungen großer deutscher börsennotierter Unternehmen haben in jüngster Zeit Anlass zu kritischen, oft von Verständnislosigkeit geprägten Kommentaren gegeben. Siemens hat trotz erfreulicher Gewinnsituation einen erheblichen Stellenabbau in seiner Kraftwerksparte angekündigt, die Deutsche Bank die Auszahlung von Boni in Höhe von rund einer Milliarde Euro an ihre Manager für 2017 trotz eines neuerlichen Verlustjahres. Aus kompromisslos wirtschaftsliberaler Sicht ist die Sache klar: Es handelt sich um private Firmen, deren Management nur den Eigentümern (Aktionären) verantwortlich ist.

In der Realität tragen Unternehmen in entwickelten Demokratien neben der Primärverantwortung gegenüber ihren Eignern selbstverständlich auch eine - wenngleich im Einzelfall schwer definierbare - soziale Verantwortung. Diese findet spätestens ihre Grenze bei einer Gefährdung des langfristigen Firmenbestands.

Siemens ist ein global tätiges Technikkonglomerat, das seine Firmenstruktur und Sparten laufend an technologische und globalwirtschaftliche Veränderungen anpassen muss, aktuell an fallende Nachfrage nach traditionellen Großkraftwerken. Niemand kann von einem privaten Unternehmen verlangen, dass es einzelne Produktionslinien mit Verlusten fortführt. Damit würde es seine Gesamtprofitabilität reduzieren, seine globale Wettbewerbsfähigkeit und Technologiestärke schwächen und letztlich seine Existenz riskieren. Wohl aber ist von ihm zu fordern, die notwendigen Anpassungen möglichst sozial verträglich vorzunehmen.

Nun zur Deutschen Bank: Leistungsabhängige Entlohnung macht fraglos Sinn. Dabei stellt sich das schwierige Problem der Leistungsmessung. Aus Eigentümersicht liegt die Anknüpfung an den Börsekurs nahe, bestimmt dieser doch den Wert seines Unternehmensanteils und ist damit ein Leistungsnachweis des Managements. Aber der Aktienkurs kann kurzfristig beeinflusst werden, durch Aktienrückkäufe, riskante Geschäfte oder Transaktionen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt schlagend werden. Die Kursentwicklung ist auch das Ergebnis exogener, vom Unternehmen nicht steuerbarer Entwicklungen. Die Leistung kann auch darin bestehen, noch größere Verluste verhindert zu haben.

Zu bedenken ist auch, dass bei der Bonifikation die Arbeitsmarktsituation für Führungskräfte und Spezialisten im globalen Wettbewerbsumfeld zu berücksichtigen ist. So argumentiert die Deutsche Bank, sie könne es sich trotz Verlusten auf Grund von Restrukturierungen und Sonderereignissen nicht leisten, ihre hochprofessionellen Investmentbanker ziehen zu lassen. Entscheidend ist jedenfalls die konkrete Boni-Ausgestaltung. Hier hat sich in den vergangenen Jahren vieles zum Besseren gewendet, auch durch nationale und europäische Vorgaben.

Manches, was auf den ersten Blick als Fall von persönlicher Gier und Exzessen des kapitalistischen Systems erscheint, stellt sich nach einer differenzierten Einzelfallbeurteilung auf Basis genauer Faktenkenntnis anders dar. Hüten wir uns also vor stereotypen Schnellschüssen und Vorverurteilungen, ohne die Augen vor kritikwürdigen unethischen oder missbräuchlichen Praktiken zu verschließen.