Die Wirtschaftskammer will mit Geld aus der Kommunalsteuer Bezirke dazu bringen, mehr Jobs zu schaffen. Bei der Stadt Wien winkt man ab - die Bezirke erhielten jetzt schon ihren Anteil aus dieser Steuer.
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Wien. Bezirke, die mehr Arbeitsplätze schaffen, sollen auch mehr Geld bekommen - zumindest, wenn es nach der Wirtschaftskammer Wien (WKW) geht. Sie fordert die Etablierung eines neuen Modells des Finanzausgleichs, das den Bezirken einen Anreiz bietet, für mehr Jobs zu sorgen. Laut WKW sollte der jährliche Zuwachs an Einnahmen aus der Kommunalsteuer auf die einzelnen Bezirke aufgeteilt werden. Je nachdem, wie viel Prozent ein Bezirk zur Schaffung neuer Arbeit in Wien beigetragen hat, würde er einen entsprechenden Anteil am Kuchen erhalten.
"Wir wollen, dass die Bezirkspolitik mehr nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gestaltet wird", sagte WKW-Chef Walter Ruck am Mittwoch. "Die Kommunalsteuer wurde 1993 eingeführt. Die Frage ist: Setzt man die Arbeitsplätze fördernd ein, oder integriert man sie ins Gesamtbudget?" Derzeit spiele das Thema Arbeitsplatz bei der Zuteilung der Töpfe auf die Bezirke jedenfalls keine Rolle. Das lasse sich durch das anvisierte Modell beheben, noch dazu, wo es sich um einen verhältnismäßig geringen Betrag handle. Der zur Befüllung des Topfes anvisierte Teil der Kommunalsteuer mache gerade einmal rund zwei Prozent aus, so Ruck. Im Vergleich zu den Einnahmen Wiens in Höhe von mehr als zwölf Milliarden Euro sei das ohnedies nichts. Seit 2009 sind die Einnahmen aus der Kommunalsteuer jährlich um einen Betrag zwischen 15 bis 29 Millionen Euro gestiegen. (Die Gesamteinnahmen beliefen sich 2009 auf 629 Millionen Euro und stiegen bis 2015 kontinuierlich auf 758 Millionen.)
"Wollen nichts wegnehmen"
An der grundsätzlichen bisherigen Zuweisung von Geldern an die Bezirke solle sich nichts ändern, so Ruck: "Wir wollen niemandem etwas wegnehmen." Was ein Bezirk bisher erhalten habe, werde er auch künftig erhalten, das neue Modell stelle lediglich einen Bonus dar. Und wenn die Einnahmen aus der Kommunalsteuer einmal sinken sollten, so wie es zu Beginn der Wirtschaftskrise der Fall war? Dann gebe es in diesem Jahr eben kein zusätzliches Geld.
In Favoriten, das bei der Beispielrechnung der Wirtschaftskammer am besten abschneiden würde (siehe Grafik), kann man der Überlegung durchaus etwas abgewinnen. "Die Idee finde ich grundsätzlich nicht schlecht", sagte Bezirksvorsteherin-Stellvertreter, Josef Kaindl. "Aber das sage ich rein als Bezirkspolitiker. Als solcher wäre ich ja schlecht beraten, wenn ich dazu Nein sagen würde." Diese Entscheidung müsse aber selbstverständlich über die Stadt laufen und geprüft werden, ob dies im Rahmen einer Dezentralisierung überhaupt möglich sei.
Bei der Stadt Wien lehnt man den Vorschlag der Wirtschaftskammer ab. Es sei jetzt schon so, dass die Verteilung der Bezirksmittel unter anderem anteilsmäßig an den Dienstgeberanteil beziehungsweise die Kommunalsteuer gebunden sei, hieß es aus dem Büro von Finanz- und Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner. "Wenn die Stadt Wien also Mehreinnahmen bei der Kommunalsteuer hat, gehen diese analog zum Schlüssel direkt an die Bezirke", erklärte Brauner-Sprecher Ferdinand Pay. Grundsätzlich beschäftige sich die Arbeitsgruppe "Wiener Bezirke neu gedacht" aber im 1. Halbjahr 2017 ohnedies auch mit der Frage der Kompetenzen von Stadt und Bezirken und werde Verbesserungsvorschläge erarbeiten.
Auch AK will Systemänderung
Dass es hier Raum für Verbesserungen gibt, findet auch die Arbeiterkammer Wien. "Wir haben ein paar Schieflagen festgestellt, was die Kompetenzen und die Finanzierung der Bezirke anbelangt", sagte Thomas Ritt Abteilungsleiter für Kommunalpolitik. So gebe es beispielsweise pro Kopf sehr viele Ausgaben für die City, "weil die viele Arbeitsplätze haben, aber wenig Einwohner". Die Bezirke wiederum, in denen die sozialen Strukturen zu einem niedrigen Durchschnittseinkommen führen, erhielten am wenigsten. "Ich weiß nicht, ob dieser Zustand mit dem von der Wirtschaftskammer vorgeschlagenen System zu beheben ist", so Ritt.
Betriebsansiedlungen erfolgten zum Beispiel nicht, "weil es dort einen genialen Bezirksvorsteher gibt, sondern weil in Bezirken wie Floridsdorf oder Favoriten Flächen zur Verfügung stehen, die es in Wieden oder Margareten nicht gibt." Andererseits seien die Innenstadtbezirke derzeit besser versorgt als die äußeren. "Das Modell könnte also zufällig die Probleme beheben."
Für Ritt ist der Vorschlag der Wirtschaftskammer "wahrscheinlich eine interessante Idee" und wenn es Bezirken helfe, die jetzt schon im Budget benachteiligt sind, könne man darüber reden. Er bezweifle jedoch, dass die Bezirke bei diesem Anreizsystem wirklich viel tun könne. Egal ob es um Flächenwidmung, oder Ansiedlung von Start-ups gehe, könne der Bezirk hier nicht aktiv Einfluss nehmen. In einem ist sich Ritt jedenfalls mit der Wirtschaftskammer einig: "Eine Reform der Bezirksfinanzen ist sicher überlegenswert."