Bei Großverfahren trottet Österreichs Justiz viel zu oft vor sich hin.
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Wenn Gerichtsverfahren so lange dauern wie die Zeit von der Geburt bis zur Firmung, muss in einem Rechtsstaat etwas im Argen liegen. Im September 2009 wurden die Vorwürfe in der Causa Buwog publik, im Dezember 2020 wurde nach einer dreijährigen Verhandlung das Urteil mündlich verkündet. Mehr als ein Jahr später folgte am Freitag die schriftliche Ausfertigung.
Nun müssen die Rechtsmittel verfasst werden, danach entscheidet der Oberste Gerichtshof. Das alles wird noch einmal längere Zeit dauern - und das mehr als zwölf Jahre nach dem Aufkommen der Affäre.
Große Korruptionsprozesse, sie sind nicht das Aushängeschild der Justiz: Man denke nur an den Bawag-Prozess, die Eurofighter-Affäre und die Causa Meinl. Wird nach den Ursachen dafür gesucht, heißt es von Justizvertretern meist, es seien zu wenig Geld und Ressourcen vorhanden. Das mag gerade angesichts der immer komplexeren Korruptionsfälle teilweise nachvollziehbar sein. Aber lassen sich die Probleme einfach mit Geld zuschütten?
Entschlackt gehört etwa die Weisungskette. In einer prominenten Causa können im Ermittlungsverfahren schon einmal drei Personen in der WKStA, zwei Personen in der Oberstaatsanwaltschaft, drei Personen im Justizressort und der Weisungsrat in die Entscheidungsfindung eingebunden sein. Da braucht es ein flotteres Konstrukt - gerade auch, weil in den vergangenen Jahren offenbar viel Zeit für justizinterne Intrigenspiele draufgegangen ist, wie diverse SMS und Affären beweisen.
Die Umfänge der Anklage gegen Karl-Heinz Grasser (825 Seiten) und des Urteils (1.280 Seiten) machen ebenfalls keinen schlanken Fuß. Etwas verständlicher wird dieses Ausmaß, wenn berücksichtigt wird, dass im Buwog-Prozess andere Komplexe wie die "schwarzen Kassen" bei der Telekom Austria behandelt wurden. Was ebenfalls zu hinterfragen ist: Es könnte manchmal effektiver sein, Großverfahren aufzugliedern. Vielleicht wäre da ja eine Reform der Strafprozessordnung möglich. Und ganz generell muss über die Justiz gesagt werden: So wie in jedem Bereich gibt es engagierte Mitarbeiter, aber auch vereinzelt Minimalisten. Das zeigen diverse Disziplinarverfahren. Debatten darüber werden aber sofort mit dem Verweis auf die Unabhängigkeit der Justiz erstickt.
Eine Reform bei Großverfahren haben sämtliche Justizminister Österreichs der vergangenen Jahre verschlafen - auch Alma Zadic (Grüne), die hier bisher außer Versprechungen nichts vorgelegt hat. Vielleicht könnte ein Besuch in Deutschland Ideen liefern. Dort explodierte im Sommer 2020 der Wirecard-Skandal. Das Oberlandesgericht München rechnet damit, dass bereits im März 2022 eine Anklage dazu vorliegen wird.