Die Akquisition der Petrochemie-Firma, die aus Sicht von Kritikern - darunter "Dossier" - viel zu teuer war, scheint sich bezahlt zu machen. Seine Klage gegen "Dossier" nimmt der Konzern zurück, seine Vorwürfe hält er aber aufrecht.
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In der Öffentlichkeit hat Österreichs größtes Industrie-Unternehmen, der teilstaatliche Öl-, Gas- und Chemiekonzern OMV, zuletzt wohl etliche Sympathien eingebüßt. Vorwürfe rund um die angebliche Überwachung von Greenpeace- und Fridays-For-Future-Aktivisten, eine Klage gegen die Rechercheplattform "Dossier" sowie Berichte über eine interne Untersuchung von E-Mails und Diensthandys von Mitarbeitern waren für den Wiener Konzernriesen jedenfalls nicht gerade imagefördernd. Zumindest wirtschaftlich scheint bei der OMV derzeit aber alles in Ordnung zu sein.
Wie das Unternehmen am Donnerstag mitteilte, stieg der um Lagereffekte bereinigte Betriebsgewinn im ersten Quartal um fast ein Viertel auf 870 Millionen Euro. Netto verdiente die OMV, an der Österreich über die Staatsholding Öbag 31,5 Prozent der Anteile hält, mit 424 Millionen Euro gut ein Drittel mehr als im gleichen Vorjahresquartal. Mit diesen Zahlen übertraf der Konzern die Erwartungen der Analysten, was die Wiener Börse beim OMV-Aktienkurs mit einem Plus von bis zu vier Prozent quittierte.
Konzernchef: Gewinnsprung dank Borealis-Akquisition
Profitiert hat das Unternehmen in den drei Monaten bis Ende März zwar von einem sich weiter erholenden Ölpreis und einer deutlich gestiegenen Produktion in Libyen und Malaysia. Noch wichtiger sei jedoch das boomende Chemie-Geschäft gewesen, erklärte Firmenchef Rainer Seele in einem virtuellen Pressegespräch. Knapp die Hälfte des operativen Ergebnisses stamme aus der neuen Konzernsparte, die nach der Borealis-Akquisition im Vorjahr nun als weiteres Standbein gilt.
Dies zeige "deutlich, dass die zukünftige Ausrichtung der Gruppe auf Chemikalien nicht nur gut für die Bevölkerung und den Planeten ist, sondern auch ein außergewöhnlich profitables Geschäftsmodell darstellt", so Seele. Dass er das besonders hervorhob, hat vor allem mit der scharfen Kritik - unter anderem auch in dem Magazin "Dossier" - zu tun, wonach die OMV für die Aufstockung ihrer Borealis-Anteile von 36 auf 75 Prozent mit 4,1 Milliarden Euro einen viel zu hohen Kaufpreis bezahlt habe.
"Gerade das erste Quartal hat uns deutlich gezeigt, dass die Borealis deutlich mehr wert ist, als wir selbst im letzten Jahr geglaubt haben", sagte der OMV-Chef weiter. Um die Borealis noch besser in den Konzern zu integrieren und um Synergien zu heben, soll ihr Management (seit 1. April mit Alfred Stern an der Spitze) bis Februar 2022 in das Wiener Headquarter der OMV in der Trabrennstraße übersiedelt werden.
Ihre vielerorts kritisierte Klage gegen "Dossier" will die OMV unterdessen zurückziehen. "Wir wollen ein Medium in wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht durch eine Klage gefährden, wir sind für Medienvielfalt", sagte Seele. "Deshalb haben wir im Vorstand beschlossen, dass wir die Klage zurückziehen werden." Den Vorwurf, dass "Dossier" unrichtig und unsachgemäß über die OMV berichtet habe, halte man aber weiterhin aufrecht, so Seele.
Auch wenn sich der aus umweltpolitischen Gründen vollzogene strategische Schwenk in Richtung Chemie mit der Borealis aus Sicht der OMV bezahlt macht: An einem Kauf des restlichen 25-Prozent-Anteils ist der Konzern nicht interessiert - zumindest nicht im laufenden Jahr. "Ich denke nicht daran, heuer irgendetwas zu kaufen", sagte Seele mit Blick auf die global noch nicht ausgestandene Corona-Krise.
Indes stehen weitere Asset-Verkäufe sehr wohl am Plan. Genaueres will Seele dazu aber erst in der zweiten Jahreshälfte bekanntgeben. Zuletzt hat die OMV den Verkauf ihres Tankstellennetzes in Slowenien sowie des Düngemittelgeschäfts der Borealis gestartet, nachdem sie 2020 bereits ihr Tankstellennetz in Süddeutschland und ihre Gasleitungstochter Gas Connect Austria in Summe für gut eine Milliarde Euro losschlug.
Mit den Verkäufen will der Konzern sein Geschäftsportfolio optimieren und weiter Schulden abbauen. Derzeit liegt das sogenannte Gearing - der Verschuldungsgrad eines Unternehmens, der das Verhältnis zwischen dem bilanziellen Fremdkapital und Eigenkapital angibt - bei 32 Prozent und damit bereits in der Nähe des langfristigen Ziels von 30 Prozent.
Öl- und Gasförderung wieder auf Vor-Corona-Niveau
Für das laufende zweite Quartal ist Seele zuversichtlich: "Wir sehen jetzt schon, dass sich das Geschäft weiter erfreulich entwickelt, dass wir eine stabile Produktion in Libyen (wegen des dortigen Bürgerkrieges immer wieder ein Sorgenkind, Anm. d. Red.) haben und die Produktion auch im zweiten Quartal deutlich über dem Vorjahr liegt." Im abgelaufenen ersten Quartal förderte die OMV mit 495.000 Barrel Öl-Äquivalent so viel Öl und Gas wie zuletzt im Jahr 2019.
Mit diesem Quartal dürfte der heimische Großkonzern die Corona-Krise hinter sich gelassen haben. Auch Branchenriesen wie BP, Shell oder Total sind auf Erholungskurs, dank der weiter gestiegenen Ölpreise sowie besserer Ergebnisse im Erdgashandel legen sie kräftig zu, die Beschleunigung der Corona-Impfprogramme wirkt sich positiv auf die Nachfrage aus. Profitiert haben sie auch von ihrem radikalen Schwenk in Richtung erneuerbare Energien. Die Ölmultis schlagen damit als Alternative zum Öl einen anderen Weg ein als die OMV, die - wie oben erwähnt - auf Chemie setzt.
Seele: Rückzug ohne Druck des Hauptaktionärs
Zu seiner mit Beginn dieser Woche erfolgten Ankündigung, seinen Ende Juni 2022 auslaufenden Vertrag nicht mehr verlängern zu wollen (die "Wiener Zeitung" berichtete), sagte Seele, dass dies eine "rein familiäre Entscheidung" gewesen sei. Druck vonseiten der Öbag - wie zuletzt gerüchteweise in Medien kolportiert wurde - habe es nicht gegeben, betonte der 60-jährige Manager. Als OMV-Chef amtiert Seele seit Mitte 2015.