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Börse Wien: Jahr der Gegensätze

Von Werner M. Szabó

Wirtschaft

Das Börsenjahr 2002 brachte den Anlegern wenig Höhen, aber viele Tiefen. Nach zwei Jahren rückläufiger Kurse hatten es selbst Experten kaum für möglich gehalten, dass die internationalen Aktienmärkte zum dritten Mal in Folge ein derartiges Desaster erleben könnten. Im ersten Quartal konnten sich die Optimisten noch bestätigt fühlen, denn sogar der deutsche Leitindex DAX, der letztendlich zu den Verlierern des Jahres 2002 zählte, lag zu diesem Zeitpunkt noch bei plus 5%. Vor allem im zweiten und teilweise auch noch im dritten Quartal ging es international mit den Aktienkursen steil bergab, ehe in den letzten Monaten etwas Boden gutgemacht werden konnte.


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Ursachen für die allgemeine Börsenschwäche waren die weltweit schwache Wirtschaftsentwicklung, die mageren Unternehmensgewinne, die Ängste vor den Auswirkungen eines Irakkriegs und möglicher neuer Terroranschläge, die Bilanzierungsskandale vor allem in den USA, Firmenzusammenbrüche und anhaltend negative Stimmungsindikatoren.

Vor diesem höchst schwierigen Hintergrund erlebten die Anleger an der Wiener Börse 2002 ein Jahr der Gegensätze. Bis Anfang Mai war hierzulande die Freude noch groß, denn am 2. Mai lag der Leitindex ATX mit seinem Jahreshoch von 1.368,18 Punkten um 20% über dem Jahresultimo 2001 (1.140,36). Dann aber kippte die Stimmung und die Wiener Börse folgte dem Abwärtstrend der internationalen Aktienmärkte. In rund fünf Monaten sackte der ATX um nicht weniger als 377 Punkte ab und markierte am 10. Oktober mit 991,23 Zählern sein Jahrestief. Zu diesem Zeitpunkt lag das Kursniveau um mehr als 13% unter dem Jahresultimo 2001.

Im letzten Quartal erholte sich der österreichische Aktienmarkt wieder. Zwar konnte der Verlust seit dem Jahreshoch nur mehr teilweise wettgemacht werden, das Kursniveau kehrte aber wenigstens auf das Ausgangsniveau vom Jahresanfang zurück. Der Leitindex ATX schloß das Jahr 2002 mit 1.150,05 Punkten, was im Jahresabstand ein geringfügiges Plus von 0,85% bedeutet. Der WBI als Indikator für den Gesamtmarkt erhöhte sich um 3,1% und beendete das Jahr 2002 mit 479,21 Zählern.

Die Jahresperformance des Wiener Aktienmarktes kann sich damit durchaus sehen lassen und braucht einen Vergleich mit den wichtigen internationalen Börsenplätzen nicht zu scheuen. So ist der Dow Jones Euro Stoxx 50 um rund 37% gefallen, der DAX um rund 44% und sogar der altehrwürdige Dow Jones ist 2002 um rund 17% zurückgegangen.

Bewährt hat sich laut Wiener Börse Vorstand Stefan Zapotocky die Anfang 2002 eingeführte neue Marktsegmentierung. Er lobte auch die gute IR-Arbeit der Unternehmen und hob das günstige Bewertungsniveau des österreichischen Aktienmarktes hervor. Die Wiener Börse bemüht sich ständig um neue Emittenten, wobei sich allerdings die allgemein schlechte Börsenstimmung als Hemmschuh erwiesen hat. Trotzdem wurde Ende November mit Conwert eine neue Immobilienaktie im standard market auction eingeführt. Kurz vor Weihnachten bekam der prime market mit dem Heimkehrer Topcall einen attraktiven Zuwachs und auch der standard market auction mit Lantec, einem deutschen Anbieter von Kommunikationssystemen. Der größte Materialzuwachs kam aber von den Kapitalerhöhungen, allen voran durch Erste Bank, voestalpine, Immofinanz und CA Immo AG. Größter Wermutstropfen war die Notierungslöschung der Austria Tabak, deren Ausscheiden schon mit dem Verkauf an den britischen Tabakriesen Gallaher im Jahr 2001 besiegelt wurde. Ebenfalls der Börse ade gesagt haben Leipnik-Lundenburger, Allianz Elementar, General Partners, Voith, IFE, Vogel & Noot Wärmetechnik sowie Libro.

Große Gegensätze waren 2002 auch in der Kursentwicklung festzustellen. Im Topsegment prime market kletterten BBAG um 66%, DO & CO um knapp 55%, Agrana um 48%, Brau-Union um rund 41% sowie Mayr-Melnhof und AHT um jeweils mehr als 30%. Demgegenüber rasselten die Kurse von JoWooD (-93%), CLC (-83%), BWT (-61%), Feratel (-56%) und Head (-45%) in den Keller. Empfindliche Verluste verbuchten auch Palfinger, VA Tech, Hirsch Servo und voestalpine.

Im standard market continuous gaben die Bauwerte Bauholding Strabag mit plus 84% und Porr Vorzug mit plus 68% ein starkes Lebenszeichen von sich. Lenzing stiegen immerhin noch um 23%, wogegen CyberTron (-96%) kaum mehr das Papier wert sind auf dem sie geschrieben stehen. Ein Kursdesaster erlebte auch SW Umwelttechnik mit einem Minus von 65%. Euromarketing verloren heuer 31%.

Teilweise wilde Kursausschläge verzeichneten die im standard market auction notierten Aktien. So haben sich die Kurse der Readymix Kies-Union mit plus 135% und der ATB Austria mit plus 129% mehr als verdoppelt. Große Freude gab es auch für die Aktionäre der VAE (+68,5%), der Darbo (+64%) und der Schwechater (+49%). Gewaltige Verluste verbuchten hingegen Caravelle Stamm (-95%), Performance AG (-86%), die Stamm- und Vorzugsaktien der Vogel & Noot (minus 62% bzw. 74%), stage1.cc (-68%), Agra Tagger (-62%) und webfreetv (-50%).

Werner M. Szabó ist Redakteur der Zeitschrift bankundbörse.