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Bosman heißt diesmal Charleroi

Von Simon Rosner

Wirtschaft

G-14 fordert Geld und Mitspracherecht. | "Fifa darf Macht nicht missbrauchen". | Zinedine Zidane ist es zuviel geworden. Nach der Euro 2004 legte der zweifach gekrönte König der Grand Nation im Fußball sein Zepter aus der Hand. Auch wenn er wiederkam, war die Botschaft damals klar verständlich: Für einen 32-jährigen gehen Klub- und Teamaufgaben und deren Begleiterscheinungen über die Belastungsgrenze. 70 Spiele pro Jahr und mehr sind keine Seltenheit geworden. Beschwerliche Marketingauftritte, Asien- und USA-Touren, sowie unzählige Reisen in der Champions League und mit dem Nationalteam zehren an den Kräften der Stars.


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Die Klubs wollen die Fifa nun dazu zwingen, auf die Bremse zu steigen. Oder anders gesagt: Der Weltverband soll die Vereine, die längst zu mehr oder weniger gut florierenden Wirtschaftsunternehmen geworden sind, dafür entschädigen, dass diese ihre Angestellten für die Nationalteams freistellen.

Die G-14, ein Zusammenschluss von 18 europäischen Großklubs, hat sich einer Klage des belgischen Vereins Charleroi angeschlossen, der von der Fifa Schadenersatz fordert. Gegen den Willen des Klubs musste dieser den Marokkaner Oulmers für ein Länderspiel gegen Burkina Faso abstellen, in dem sich der Mittelfeldspieler dann eine schwere Verletzung zuzog. Der Fall Charleroi ist der vorläufige Höhepunkt eines schon Jahre dauernden Streits zwischen dem Weltverband und der G-14.

Keine Gesprächsbasis mit dem Weltverband

"Die Fifa", sagt Thomas Kurth, Geschäftsführer der G-14, "darf ihr Monopol ruhig behalten. Nur muss sie alle Parteien fair behandeln und darf ihre Macht nicht missbrauchen." Nach Ansicht des Schweizers tut dies der Weltverband recht unverblümt. Fifa-Präsident Blatter verweigert konsequent das Gespräch mit der G-14, weil es sich nicht "um eine anerkannte Organisation im europäischen Fußball" handelt.

Den jahrelangen Forderungen ließ das Konglomerat der mächtigen Klubs im Vorfeld der Euro 2004 Taten folgen, und erhob bei der Schweizer Wettbewerbskommission Anklage. Eine Entscheidung dürfte noch Jahre auf sich warten lassen. Etwas schneller wird das Verfahren von Charleroi abgeschlossen sein. Und dieses könnte den Fußball und andere Sportarten in seinen Grundfesten erschüttern. Denn das Geld, das die Verbände bei Weltmeisterschaften lukrieren, fließt zu großen Teilen in den Nachwuchs- und Amateurbereich. Nur in Deutschland und Holland bekommen die Klubs Vergütungen für Nationalspieler. Laut Kurth ergibt sich daraus ein Wettbewerbsnachteil für andere Vereine, die mit holländischen und deutschen konkurrieren.

70 Millionen pro

WM für Vereine?

Über die Klage hinaus fordert die G-14 deshalb auch, am Geldkuchen bei Großereignissen beteiligt zu werden. Bayerns Karl-Heinz Rummenigge hat sich vor einigen Jahren eine Summe von 70 bis 80 Millionen Euro für die Klubs gewünscht. "Wenn man in einem Geschäft etwas kauft, geht von dem Erlös ja auch Geld an die Hersteller und Lieferanten", erklärt Kurth im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Die Verbände würden sich vor Länderspielen "wie im Selbstbedienungsladen bedienen". Die Verantwortung, Bezahlung und Versicherung der Fußballer bleibe hingegen bei den Klubs. Wichtig ist der G-14 auch ein Mitspracherecht bei der Erstellung des Terminkalenders. So sollen kontinentale Meisterschaften künftig zum selben Zeitpunkt ausgetragen werden, was wiederum die Fifa aus Vermarktungsgründen ablehnt.

Warum eine jahrzehntelang funktionierende Regelung jetzt schlecht sein soll, erklärt Kurth so: "Früher wurden die Konflikte friedlich gelöst, da die Interessen der Verbände und Vereine ähnlich gelagert waren. Heute stehen viele Spieler bei ausländischen Klubs unter Vertrag, daher ist das nicht mehr möglich."

Sollte das belgische Gericht im Fall Charleroi (voraussichtlich im Sommer 2006) das Regulativ der Fifa, das dezidiert keine Entschädigungszahlungen vorsieht, für Unrechtens erklären, glaubt Kurth nicht an eine unberechenbare Kettenreaktion. "Es wäre einfach eine grundlegende Verbesserung. Für den gesamten Sport." Freilich mit völlig veränderten Machtverhältnissen.