Berlusconi will im Amt bleiben und sieht keine Alternative zu sich.
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Rom. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage Italiens treten die Differenzen im Regierungslager immer deutlicher zutage. Während Regierungschef Silvio Berlusconi am Donnerstag nach einem Treffen mit Spitzenpolitikern seiner Koalition Rücktrittspläne erneut dementierte und betonte, sein Kabinett werde bis zum Ablauf der Legislaturperiode im Jahr 2013 im Amt bleiben, sprach sich sein Koalitionspartner Umberto Bossi von der Lega Nord erstmals offen für vorgezogene Neuwahlen aus.
Bossi meinte, es sei schwierig, die Leute mit Einsparungen zu belasten und dann auf ihre Wählerstimmen zu hoffen. Es sei besser, dass man vor 2013 wählt, meinte der Lega-Nord-Chef, der ein weiteres Sparpaket zur Eindämmung der gewaltigen Staatsschulden nicht ausschloss.
Berlusconi dagegen will bis zum Ende der Legislaturperiode 2013 im Amt bleiben und das Regierungsprogramm umsetzen. Er sieht keine Alternative zu seinem Kabinett.
Der Regierungschef kündigte aber eine Namensänderung für seine Partei an, um ihr nach der Trennung von seinem Ex-Partner Gianfranco Fini eine neue Identität zu geben. Der Name "Popolo della Liberta" (PdL - Volk der Freiheit) sei nicht im Herzen der Wähler verankert. Man sei offen für Vorschläge und werde sie dann in Umfragen bewerten lassen. Berlusconi konnte es sich aber nicht verkneifen, wieder einmal in seine Witzkiste zu greifen: "Man sagt mir, die größten Erfolgsaussichten hätte ,Forza Gnocca" (Forza Knödel - in Anspielung auf den alten Parteinamen Forza Italia; Gnocca ist in Italien aber auch ein Vulgärausdruck für das weibliche Geschlechtsorgan).
Berlusconi dementierte auch Berichte über ein Zerwürfnis mit seinem Wirtschaftsminister Giulio Tremonti, der vor einigen Tagen mit der Bemerkung, Spanien habe wegen der anstehenden Neuwahlen einen Vorsprung vor Italien, den Unwillen des Premiers auf sich gezogen hatte.
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Maulkorbgesetz soll durchgepeitscht werden
Unterdessen soll Berlusconis umstrittenes Maulkorbgesetz rasch durchgepeitscht werden, mit dem Haftstrafen bis zu drei Jahren für Journalisten eingeführt werden sollen, die Protokolle abgehörter Lauschangriffe veröffentlichen. Die Regierung plant, sogar die Vertrauensfrage zu stellen, um weitere Verzögerungen zu verhindern.
Berlusconi, der selbst aufgrund von abgehörten Gesprächen über seine Beziehungen zu Callgirls und undurchsichtige Geschäfte unter Druck geraten ist, will, dass Abhören künftig nur noch bei Verdacht auf Terrorismus, Mafiaverbindungen, Pädophilie und Mord erlaubt sein soll. Nach dem Gesetzesvorschlag soll künftig auch eine aus Richtern und Anwälten zusammengesetzte Kommission in sogenannten "Filter-Anhörungen" darüber entscheiden, welche Mitschnitte als Beweismittel für einen Prozess zugelassen werden.
Aus Protest gegen das Vorgehen der Regierung hat die zuständige parlamentarische Berichterstatterin Giulia Bongiorno von der Fini-Partei FLI ihr Amt zurückgelegt. Sie hatte vor einem Jahr einen Gesetzeskompromiss zustande gebracht, wonach man bis zu den "Filter-Anhörungen" zumindest über den Inhalt der abgehörten Telefongespräche berichten konnte.
Die Pläne der Regierung stoßen auf weitgehende Ablehnung bei Richtern, Journalisten und der Opposition, die darin eine Einschränkung der Pressefreiheit und einen Angriff gegen die Demokratie sehen.
Entschärft wurde unterdessen durch einen gemeinsamen Antrag von Regierung und Opposition ein Gesetzesentwurf, der Web-Anbieter verpflichten sollte, jegliche Inhalte ohne weitere Prüfung zu korrigieren, wenn dies jemand unter Hinweis auf sein Ansehen fordert. Die italienische Ausgabe von Wikipedia hatte dagegen protestiert und ihre Website vom Netz genommen.