Schon seit dem nationalistischen Militärputsch im Jahr 1980 hat die Türkei immer wieder versucht, durch die gezielte Förderung nationalistischer und rechtsextremer türkischer Gruppierungen im Ausland die Türkei-stämmigen Migranten und ihre Nachkommen an sich zu binden und politisch und ideologisch auf die nun zur Staatsideologie erhobene sogenannte türkisch-islamische Synthese einzuschwören.
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Seit die AKP unter Premier Recep Tayyip Erdogan mit den kemalistischen Militärs ihren Frieden geschlossen hat, sind auch große Teile des gemäßigten politischen Islams der Türkei auf diese politische Linie eingeschwenkt, die den Islam in gewisser Hinsicht zu einer kulturellen Eigenschaft des "Türkentums" erklärt und Minderheiten nur dann toleriert, wenn sie sich willig der Staatsideologie unterordnen.
Insbesondere die Kurden mit ihrem rivalisierenden Nationalismus sind diesem türkischen Nationalismus bis heute ein Dorn im Auge. Dabei geht es keineswegs nur um die extremistischen Gruppen wie die Grauen Wölfe, sondern auch um die europäische Vorfeldorganisation der türkischen Regierungspartei AKP, die in Europa unter dem Namen Union of European Turkish Democrats (UETD) auftritt.
Wie nun bekannt wurde, übte die türkische Botschaft Druck auf die Wirtschaftskammer Österreich aus, damit diese eine kurdischstämmige Trainerin entlassen solle. Der Hintergrund der Affäre wirft ein interessantes Licht auf die Rolle der türkischen Botschaft in der Wiener "Integrationspolitik". Sami Akpinar, hochrangiger Funktionär der UETD-Austria und damit de facto der türkischen Regierungspartei in Österreich, fungiert zugleich als "ethnischer Beauftragter" der Wirtschaftskammer. Als solcher versuchte er eine kurdische Trainerin aus einem Projekt zu drängen, indem er behauptete, sie wäre Mitglied der PKK.
Bereits 2008 war Akpinar maßgeblich für den Austritt einer Reihe türkisch-nationalistischer Vereine aus der Wiener Integrationskonferenz verantwortlich, nachdem er zuvor wochenlang versucht hatte, die gleichen Gerüchte über dieselbe Kurdin zu streuen. Nachdem sich die botschaftsnahen türkischen Vereine bei der Vorstandswahl nicht durchsetzen konnten, traten sie aus und nutzten ihre guten Kontakte zur Gemeinde Wien, um die Streichung der Subventionen für die Integrationskonferenz zu erreichen. Allerdings scheint das "Grüne Kapital", wie die islamischen Unternehmer aus dem AKP-Umfeld in der Türkei oft genannt werden, auch zur Wirtschaftskammer sehr enge Beziehungen zu haben. Und wenn man sich allein nicht durchsetzen kann, kommt auch gerne die türkische Botschaft zu Hilfe.
Interessant dabei ist jedoch die Frage, wie österreichische Parteien und Interessenvertreter auf diesen Versuch, hierzulande türkisch-nationalistische Politik zu betreiben, reagieren. Übernehmen sie die türkische Kurden-Politik? Oder betreiben sie Integrations-, Sozial- und Bildungspolitik für alle und mit allen?
Thomas Schmidinger ist Politikwissenschafter, derzeit am Center for Austrian Studies an der University of Minnesota (USA).