Der Arbeitsmarktzugang für Asylwerber ist stark eingeschränkt.
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Wien. Eigentlich ist sie Englischlehrerin. Doch als Rachel Omoregie im Jahr 2004 nach Österreich kam, musste sie feststellen, dass ihre Ausbildung hierzulande wertlos war - die Nigerianerin durfte während des Asylverfahrens nicht arbeiten. Sieben Jahre lang wartete sie auf einen Bescheid, "währenddessen merkte ich, wie meine Fähigkeiten abnahmen". Jetzt hat sie einen Asylstatus bekommen, dürfte auch arbeiten - aber weiß nicht mehr so recht, wie sie es anstellen soll oder ob sie jemals wieder als Lehrerin arbeiten kann.
So wie Omoregie geht es vielen: Mehr als 20.000 Asylverfahren sind offen, etwas mehr als 18.300 Personen befinden sich in Grundversorgung - sie haben kaum Beschäftigungsmöglichkeiten und müssen mit 40 Euro Taschengeld im Monat auskommen. Dabei wäre die rechtliche Situation für Asylwerber durchaus praktikabel: Laut Ausländerbeschäftigungsgesetz erhalten sie, wenn sie seit mindestens drei Monaten zum Asylverfahren zugelassen sind, Zugang zum Arbeitsmarkt. Und zwar dann, wenn ein Arbeitgeber für sie eine Beschäftigungsbewilligung beantragt. Diese Regelung wurde 2004 durch einen Erlass des damaligen Wirtschaftsministers Martin Bartenstein (ÖVP) beschränkt. Demnach dürfen Asylwerber nur bis zu sechs Wochen als Erntehelfer oder bis zu sechs Wochen im Tourismus arbeiten. Dies gelingt nur wenigen. Denn "Asylwerber haben keine Netzwerke, sie sind auch nicht beim AMS gemeldet", sagt Sonja Scherzer vom Integrationshaus. "Wie soll ein Arbeitgeber auf sie aufmerksam werden?" Zudem können Jugendliche durch die Beschränkung auf Saisonarbeit keine Lehrstellen annehmen.
Fünf Euro Zuverdienst
In wenigen anderen Bereichen bestehen Beschäftigungsmöglichkeiten für Asylwerber - zum Beispiel als neue Selbständige in Branchen, die nicht von der Gewerbeordnung reglementiert sind (Sport, Kunst). Oder sie verdienen drei bis fünf Euro am Tag dazu, indem sie in ihrer Unterkunft oder Wohngemeinde gemeinnützige Dienste verrichten. Selbst davon machen nicht viele Gemeinden Gebrauch. Einzig als Zeitungszusteller und Zettelverteiler werden oft Asylwerber eingesetzt - als Scheinselbständige und damit am Rande zur Illegalität.
Unter dem Motto "Machen wir uns stark" fordern Integrationshaus, SOS Mitmensch und dem Verein M-Media den freien Arbeitsmarktzugang für Asylwerber. Im Internet hat die Kampagne seit 1. Mai mehr als 6500 Unterstützer gesammelt, darunter auch Prominente wie Ex-EU-Kommissar Franz Fischler. In einer Pressekonferenz am Montag forderte die Initiative, dass Asylwerber spätestens sechs Monate nach Antragstellung Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Für Alexander Pollak von SOS Mitmensch ist es "gesellschaftspolitisch falsch und ökonomisch unvernünftig", Asylwerber zum Nichtstun zu verdammen. "Österreich begibt sich damit seiner Potenziale", sagte auch die Journalistin Barbara Coudenhove-Kalergi. Sie unterrichtet Deutsch für Asylwerber - allein in ihrem Kurs säßen drei Facharbeiter mit Mangelberufen.
Nun sollen Politiker aller Couleurs mobilisiert und Gespräche mit Innen- und Sozialministerium geführt werden, um den Erlass zu Fall zu bringen. Bereits im Jahr 2009 hat Sozialminister Rudolf Hundstorfer einen ähnlichen Vorschlag von SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter abgewürgt. Nun meint sein Sprecher auf Anfrage: "Das war 2009. Was jetzt ist, kann ich noch nicht sagen." Man wolle den Ergebnissen der Gespräche nicht vorgreifen.
Der Erlass, dessen Rechtskonformität von Experten bezweifelt wird, weil er in die Gesetzeslage eingreift, bleibt vorerst bestehen. Also müssen Asylwerber weiterhin mit 40 Euro Taschengeld im Monat auskommen. Und das übrigens für lange Zeit. Denn die Asylverfahren dauern oft immer noch mehrere Jahre, wie die Volksanwaltschaft erst kürzlich bemängelt hat.