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Brainstorming im Linzer Industriedenkmal

Von Matthias Nagl

Politik

EU-Sozialdemokraten debattieren über Innovation im Angesicht der Krise.


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Linz. Europa braucht einen Neustart. Mit dieser Diagnose zieht die sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament im Jahr vor der Europa-Wahl im Mai 2014 durch den Kontinent. Nach Italien, Deutschland, Belgien, Großbritannien, Frankreich, Bulgarien und Kroatien machte die Reihe unter dem Titel "Ein Europäischer Neustart" am Montagabend auch in Österreich Halt.

Die Veranstalter wählten mit Linz einen klassischen Industriestandort für den Abend unter dem Motto "Jobs durch Industrie, Innovation, Kultur und Kunst" aus. In der Veranstaltungsreihe wollen sozialdemokratische Politiker mit den Bürgern und der Zivilgesellschaft in einen Dialog treten, um Ideen für ein zukünftiges Europa zu entwerfen. So vielfältig wie der Titel waren dann auch die geladenen Gäste und Diskussionsthemen. Das war auch der Grund, weshalb die Besucher - es kamen mehr als von den Veranstaltern erwartet - statt konkreter Ideen eher einen Abriss über Problemfelder und mögliche Lösungsansätze hörten.

So schafften es die Diskutanten des Workshops "Industrie im Wandel", in einer gut 45-minütigen Diskussion die an sich schon umfangreichen Themenblöcke Agrar-, Energie-, Forschungspolitik, Jugendarbeitslosigkeit, Sozialstaat und Finanzwirtschaft zu streifen. Ein Zuhörer zog nach Ende des Workshops enttäuscht das Fazit: "Das war überhaupt kein Rezept, das war Blabla."

Immerhin konnte Wolfgang Eder, als Vorstandschef der Voestalpine ein Aushängeschild der Linzer Industrie, seine Sorgen anbringen. "Die Wirtschaft ist für die Menschen da und nicht umgekehrt. Dafür brauchen wir aber nachhaltige Gewinne", sagte Eder und forderte: "Die Energiekosten müssen runter." Der luxemburgische Europa-Abgeordnete Robert Goebbels bezeichnete ebenfalls die Energiepreise als zentrales Problem der europäischen Industrie. "In Europa gibt es nicht mehr genug Mut, industrielle Probleme anzugehen", sagte Goebbels und beklagte, dass es für die industrielle Forschung im Rahmen der europäischen Forschungspolitik im Vergleich zur Grundlagenforschung und gesellschaftlichen Forschung zu wenig Mittel gäbe.

Der Linzer Veranstaltungsort, die Tabakfabrik, sollte aber auch als Signal wirken, herkömmliches Standortdenken zu überwinden. "Die Tabakfabrik ermahnt uns, neue Anstrengungen zur Innovation und Reorganisation der Industrie zu unternehmen", sagte Hannes Swoboda, Präsident der sozialdemokratischen Fraktion und Mitinitiator der Neustart-Initiative.

Das Gelände der Tabakfabrik wurde nach Einstellung der Zigarettenproduktion im Jahr 2009 von der Stadt Linz zurückgekauft und soll zu einem Stadtteil für Künstler, Kreative, Gewerbetreibende sowie soziale Einrichtungen entwickelt werden. Der künstlerische Leiter der Tabakfabrik, Chris Müller, sprach am Montag in betont positiven Worten. "Wir haben das Gefühl, dass es besser wird. Im nächsten Jahr arbeiten mehr Menschen hier als bei der Schließung", sagte Müller. In einigen Jahren soll das Gelände durch einen Straßenbahnanschluss weiter aufgewertet werden. "Wir werden zur Drehscheibe für Personen und Visionen. Wir sind der Überzeugung, dass hier ein weiteres Mal produziert wird", sagt Müller.

Egal, ob es sich um derartige Wiederbelebungsinitiativen handelt oder das europaweit zum Vorbild gewordene österreichische System der dualen Lehrlingsausbildung. Der EU-Abgeordnete und Linzer Universitätsprofessor Josef Weidenholzer warnte die Teilnehmer vor zu missionarischem Einsatz für die eigenen Ideen: "Wir sollten nicht glauben, am österreichischen Wesen soll die Welt genesen."