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Brandstifter kann nicht der Feuerwehrmann sein

Von Henriette Löwisch

Politik

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Für Bill Clinton ist er ein Diktator, für Henry Kissinger ein "Halsabschneider vom Balkan". Der deutsche Verteidigungsminister Rudolf Scharping sähe den jugoslawischen Präsidenten Slobodan

Milosevic lieber vor dem Haager Kriegsverbrechertribunal als am Verhandlungstisch. Die westlichen Regierungen machen die Schuld am Kosovo-Konflikt zunehmend an dem Mann fest, der in Belgrad an der

Macht ist, und können sich immer weniger vorstellen, mit ihm zu verhandeln.

Viele Falken fordern schon, seine Entmachtung zum Kriegsziel zu erklären. Nur wenige nüchterne Köpfe warnen wie der ehemalige US-Außenminister Lawrence Eagleburger: "Wer nach ihm kommt, wird

sicherlich genauso schlimm oder noch schlimmer sein."

In den USA gilt der jugoslawische Präsident spätestens seit dem jüngsten Flüchtlingsdrama auf dem Balkan als Inbegriff des Bösen. Ihm gehe es nur um den eigenen Machterhalt, stimmen Kommentatoren und

Regierungsvertreter überein. "Er hat gezeigt, daß er lieber über Trümmer herrscht als gar nicht", sagte Clinton diese Woche. "Wir haben diese Art von bösartigem Verhalten in diesem Jahrhundert schon

anderweitig kennengelernt."

Dabei war der Belgrader Machthaber für den Westen nicht immer ein Unberührbarer. Laut dem US-Nachrichtenmagazin "Newsweek" schlug der US-Geheimdienst CIA zu Beginn der 90er Jahre das Angebot

eines Milosevic-Vertrauten aus, ihn mit westlicher Finanzhilfe zu stürzen. US-Stardiplomat Richard Holbrooke verhandelte 1995 mit ihm über die Zukunft Bosniens, obwohl dem serbischen Staatschef

schwere Kriegsverbrechen zur Last gelegt wurden. Holbrooke prägte damals das Wort vom "Brandstifter und Feuerwehrmann" und machte Milosevic damit zumindest eingeschränkt salonfähig.

Heute argumentieren Kritiker, die Anerkennung Milosevics als legitimer Verhandlungspartner habe dessen Macht gestärkt und die Kosovo-Krise so erst ermöglicht. "Wenn man dem Brandstifter gestattet,

gleichzeitig Feuerwehrmann zu spielen, dann erhält man den Kosovo, also Völkermord und eine humanitäre Massenkatastrophe", sagt der Rechtswissenschaftler Paul Williams von der American University in

Washington. "Wenn man ihm gestattet, im Kosovo den Feuerwehrmann zu spielen, dann wird er in Montenegro und Mazedonien wieder Brandstifter sein."

Aus Sicht des republikanischen Senators und Präsidentschaftsaspiranten John McCain müssen deshalb alle Mittel eingesetzt werden, um "Milosevic und seine Armee zu zerstören". Der frühere jugoslawische

Regierungschef Milan Panic schlägt vor, das Ende der Bombardierung mit dem Abtritt Milosevics zu verknüpfen. "Ich denke, wir sind jenseits des Punktes, wo er an die Friedenstafel kommt", meint auch

McCains demokratischer Kollege Joseph Biden. Um Milosevics Macht zu brechen, müsse die NATO notfalls bis Belgrad marschieren. So weit ging nicht einmal der republikanische Präsident George Bush im

Golfkrieg gegen den irakischen Staatschef Saddam Hussein.

In dieser aufgeheizten Stimmung ist es kaum verwunderlich, daß das Belgrader Waffenstillstandsangebot vom Dienstag in Washington und anderen westlichen Hauptstädten als zynischer Schachzug

interpretiert und zurückgewiesen wurde. Nun, da er Fakten geschaffen habe, versuche Milosevic, auf neuer Geschäftsgrundlage zu verhandeln, und im gleichen Atemzug die Allianz zu spalten, sagt der

frühere US-Botschafter bei der NATO, Robert Hunter.

Die US-Regierung verlangt vor einer Einstellung der NATO-Luftangriffe, daß Milosevic seine Einheiten aus dem Kosovo abzieht und die Stationierung einer internationalen Truppe zum Schutz der Kosovo-

Albaner akzeptiert. Im Weißen Haus wird überdies diskutiert, seine Abdankung zu einer weiteren Bedingung zu machen. Es werde zunehmend schwer denkbar, sich mit einem Mann an den Tisch zu setzen, der

zumindest politisch für schlimme Greueltaten verantwortlich sei, sagte Außenamtssprecher James Rubin Anfang dieser Woche. Ganz auszuschließen sei es jedoch nicht, "sofern es dem Frieden dient, den

sich die Menschen aus dem Kosovo wünschen".