Brasilien hat es geschafft, seit dem Amtsantritt von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva im Jahr 2003 seinen Fixplatz unter den Großen der Welt zu finden. Zu Anfang wurde das Land als üblicher südamerikanischer Kurzaufsteiger belächelt, von denen man schon so viele scheitern gesehen hatte. Doch heute spielt Brasilien in einer Liga mit China, Russland und Indien.
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Einer der Schlüssel zu diesem Erfolg war die von Opportunismus im eigentlichen Sinne geprägte Außenpolitik des Landes. Lula da Silva ließ kaum eine Gelegenheit aus, Kooperationen mit anderen Mächten auszuarbeiten. Wer ihm da gegenüberstand, war ihm letztlich egal. Verhandlungen wurden mit dem ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush ebenso geführt wie mit Kubas Revolutionsführer Fidel Castro oder Irans Präsident Mahmoud Ahmadinejad.
In vielen Belangen hat sich Brasilien von den USA emanzipiert, was es dadurch zeigt, dass es gegen den Willen Washingtons seine Interessen stark vertritt. Dennoch ist das größte Land Südamerikas dessen erster Ansprechpartner in der Region, wo es als große stabilisierende Komponente gilt. Es sucht den Frieden mit seinen Nachbarn, der gut fürs Geschäft ist.
Durch Offenheit und seine unermüdlichen Reisetätigkeit machte Lula den Weg für brasilianische Firmen frei, ihr Potential auszuschöpfen. Egal, ob Bauunternehmen, Banken oder Lebensmittelindustrie: Die guten Auslandskontakte (und die exportgünstige niedrige Währung) öffneten den Firmen Tür und Tor. Ende dieses Jahres wird Brasilien zudem der drittgrößte Informatik-Markt der Welt sein - gleich nach den USA und China.
Am meisten profitiert das Erdölunternehmen Petrobras von dem Aufschwung, der spätestens seit der Entdeckung neuer Erdölfelder im Jahr 2007 nicht mehr zu bremsen ist. Wesentliches Investitionskapital fließt dem Unternehmen aus China zu, das sich mittlerweile sogar stärker als die USA eingebracht hat. Lula konnte sogar so weit gehen, Bolivien um des Friedens Willen die Verstaatlichung von Petrobras auf bolivianischem Gebiet nachzusehen.
Durch den ökonomischen Aufstieg konnte Lula letztlich auch eines seiner Wahlversprechen halten: Die Armut des Landes zu bekämpfen. Vor seinem Amtsantritt im Jahr 2001 lebten in Brasilien noch 35 Prozent der Menschen unter der Armutsgrenze. Im Jahr 2008 waren es nur noch 24 Prozent. Die Mittelschicht erstreckt sich mittlerweile über die Hälfte der Bevölkerung.
Brasilien ist mittlerweile Mitglied der G20, der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer. Vom Internationalen Währungsfonds (IWF) ist Brasilien unabhängig. Der beobachtet das Treiben dort kritisch. Eine Überhitzung des Marktes drohe, erklärte der IWF in einer Aussendung. Die anhaltenden Kapitalströme in das Land gäben Anlass zur Sorge. Sie könnten in einer gefährlichen Spekulationsblase resultieren, die - falls sie platzt - die Weltwirtschaft in eine neue Rezession stürzen würde.
Brasilien setzt auf Sicherheitspolitik
Doch wer eine Weltmacht sein möchte, darf den militärischen Faktor nicht vernachlässigen. Daher hat Brasilien in den letzten Jahren stark aufgerüstet und Waffenverträge in zig-Milliarden-Dollar-Höhe unterschrieben. Erst vor wenigen Monaten war ein 14-Milliarden-Dollar-Deal mit Frankreich spruchreif geworden.
Mit diesem Potential will Brasilien seine Position als Akteur bei den Vereinten Nationen stärken. Diese fordern gerne und oft die militärische Stärke des südamerikanischen Landes für Friedenseinsätze. Doch noch ist man in Brasilia gelegentlich zurückhaltend. Schließlich erwartet man sich dort eine Gegenleistung für geleistete Dienste und die wäre in diesem Fall ein fixer Sitz im Weltsicherheitsrat, dem mächtigsten Gremium der UNO. Folgerichtig hat Brasilien auch bereits begonnen, sich in den Nahost-Friedensprozess einzubringen.
Siehe auch:Eine andere Welt ist möglich
+++ Interview mit Martina Kaller-Dietrich
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+++ Die Sportwelt zu Gast am Zuckerhut