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"Brauchen Finnlandisierung durch österreichischen Bildungsfrühling"

Von Christian Rösner

Politik

Volksbegehren-Initiator Androsch im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".


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"Wiener Zeitung":Was sagen Sie nach so langer Vorbereitungszeit zum Start des Bildungsvolksbegehrens am Donnerstag?

Für Hannes Androsch ist die ÖVP derzeit Sinnbild für die gespaltene Gesellschaft in Österreich.
© © Robert Newald / Robert Newald

Hannes Androsch: Möglichst viele sollen sich bitte engagieren und unterschreiben - im Gemeindeamt, Rathaus oder Bezirksamt. Es geht uns um mehr und bessere Bildung, weil Bildung und Qualifikation für das Leben jedes Einzelnen und damit für die Gesellschaft als Ganzes immer bedeutender werden. Je mehr Unterschriften das Bildungsvolksbegehren bekommt, desto mehr Anschub gibt es, um ein besseres Bildungssystem mit mehr Chancengerechtigkeit und sozialer Durchlässigkeit zu erreichen. Es darf nicht sein, dass die Herkunft die Zukunft bestimmt. Das können wir uns gesellschaftlich und wirtschaftlich einfach nicht leisten, damit würden wir unsere Zukunft, unseren Wohlstand und unsere sozialen Errungenschaften aufs Spiel setzen.

Was ist Ihr Wunschziel?

Natürlich so viele Unterschriften wie möglich. Mein Tagtraum wären 90 Prozent der Wahlberechtigten - ich weiß natürlich, dass das illusionär ist. Das Ergebnis des Volksbegehrens ist für dessen Erfolg nicht alleine ausschlaggebend. Der Erfolg misst sich daran, was daraus wird, und nicht ausschließlich daran, wie viele Stimmen man bekommen hat. Was wir dringend brauchen, ist eine Finnlandisierung der österreichischen Bildungspolitik durch einen österreichischen Bildungsfrühling.

Einerseits gibt es parteiübergreifende Zustimmung zum Volksbegehren, andererseits spaltet es die Politik - etwa, was die Forderung nach einer Gesamtschule anbelangt. Was kann ein solches Begehren am Ende tatsächlich bewirken?In Sachen Bildungspolitik fehlt uns der dringend notwendige nationale Schulterschluss. Wie gespalten dabei unsere Gesellschaft ist, zeigt sich am Beispiel der ÖVP besonders deutlich. Das Bildungsvolksbegehren ist nicht nach ohnedies überholten ideologischen Standpunkten, sondern nach zukunftsgerichteten Notwendigkeiten in der Bildungspolitik ausgerichtet. Und dazu zählt auch, dass man auch den geänderten Anforderungen in Gesellschaft und Familien sowie der Berufstätigkeit der Frauen Rechnung trägt. In Südtirol etwa gibt es längst nur Gesamtschulen. Dort ist eine Schwesterpartei der ÖVP seit Jahrzehnten erfolgreich in der Regierung tätig. Was wir brauchen, sind vor allem auch Ganztagsschulen mit einer sinnvollen Ganztagesbetreuung, die neben Lernen auch Spiel und Sport bieten. Außerdem muss sichergestellt werden, dass im Vorschulalter die Landessprache als Vorbedingung für eine erfolgreiche Einschulung gelernt werden muss.

Es hat sich mittlerweile eine Gegenbewegung zum Bildungsvolksbegehren mit dem Gründer der Sir-Karl-Popper-Schule in Wien, Günter Schmid, an der Spitze formiert. Haben Sie mit ihm schon einmal über das Thema Bildung diskutiert?

Bei allem Respekt gegenüber der Sir-Karl-Popper-Schule - diese ist eine Elite-Sonderschule in der Oberstufe. Dieser Ansatz bietet keine gesamthafte Lösung des Bildungsproblems. Das ist ein Missverständnis.

Noch einmal die Frage nach Ihrer Wunschzahl für die Unterschriften - am meisten gab es mit 1,3 Millionen 1982 beim Begehren gegen den Bau des Konferenzzentrums.

Ja, aber diese Initiative war letztlich nicht erfolgreich, weil das Konferenzzentrum Gott sei Dank dennoch gebaut worden ist. Die Zahl der Unterschriften alleine bestimmt nicht den Erfolg, sondern das, was schließlich umgesetzt wird.

Was die Zahl der Unterschriften anbelangt, war das Volksbegehren aber ein Erfolg.

Den Vergleich mit diesem Volksbegehren halte ich aus den genannten Gründen nicht für sinnvoll. Wir treten für die Umsetzung eines zeitgemäßen, auf die Anforderungen des 21. Jahrhunderts ausgerichteten Bildungssystems ein. Das Bildungsvolksbegehren soll dafür mit möglichst vielen Unterschriften ein deutliches Signal setzen und den notwendigen öffentlichen Druck aufbauen.

Zur Person:
Hannes Androsch war 1970 bis 1981 österreichischer Finanzminister und zusätzlich von 1976 bis 1981 Vizekanzler unter Bruno Kreisky. Heute ist der 73-Jährige Unternehmer, Initiator des Bildungsvolksbegehrens und hat einen 14-jährigen Sohn.