Zum Hauptinhalt springen

"Brauchen keinen Bombenwurf bei Gesundheit"

Von Karl Ettinger

Politik

Sozialversicherung und Länder setzen auf frühe Hilfe für sozial Schwache - aus Kostengründen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Alpbach. (ett) Der zweite Tag der Gesundheitsgespräche beim Europäischen Forum Alpbach war überschattet von der Nachricht vom überraschenden Tod des früheren Sozialministers Rudolf Hundstorfer. Ganz im Sinne des bekennenden Sozialpartners Hundstorfer traten der Hauptverband der Sozialversicherungen und Ländervertreter aus Wien und der Steiermark gemeinsam auf, um die Bedeutung früher Aktivitäten für sozioökonomisch Benachteiligte zu betonen.

Zur Sprache kam auch die immer wieder beschworene Finanzierung des Gesundheitssystems aus einer Hand von Bund, Ländern und Sozialversicherung. "Wir werden in zehn Jahren von einer Hand aus die Gesundheit finanzieren", meinte der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Das müsse aber nicht physisch eine Hand sein, sondern reiche von Planung bis Finanzierung. Die Entwicklung im Gesundheitswesen "wird uns schlicht und einfach dort hintreiben", prophezeite Hacker. Es sei eine "Nachdenkphase" und Weiterentwicklung des solidarischen Gesundheitssystems notwendig. Aber, so warnte er: "Wir brauchen keinen Bombenwurf im Gesundheitssystem."

Mit der Betonung des gemeinsamen Vorgehens war auch der anwesende steirische Gesundheitslandesrat Christopher Drexler (ÖVP) mit im Boot. "Wir müssen an einem Strang ziehen", hatte dieser zuvor gemahnt. Allerdings hatte der steirische Landesrat bewusst am "Mythos" Finanzierung "und dann ist alles super" gekratzt. Wenn es nur darum ginge, müsste das Vereinigte Königreich die beste Gesundheitsversorgung haben, was nicht der Fall sei. Sozialversicherung und Länder müssten abgestimmt vorgehen. Aber, so erklärte Drexler bewusst provokant: "Ist es überhaupt notwendig, dass wir die Finanzierung aus einer Hand haben?"

Man werde überrascht sein, aber er könne das zu hundert Prozent unterschreiben, sagte Sozialversicherungschef Alexander Biach. Es gehöre gemeinsam geplant, bestellt und gesteuert im Gesundheitswesen. Laut einer Studie der Wirtschaftsuniversität Wien nehmen sich Sozialversicherung und Länder verstärkt sozial Schwacher schon mit Maßnahmen vor und ab der Geburt von Kindern an. Damit soll Menschen aus sozioökonomisch gefährdeten Gruppen voller Zugang zur Gesundheitsversorgung ermöglicht und gesichert werden.

So läuft seit 2015 die Aktion "Frühe Hilfen" der Sozialversicherung. Bis 2020 werden dabei in Summe 15 Millionen Euro aufgewendet. Unterstützt wird etwa die Begleitung schwangerer Frauen psychologisch, oder mit Ernährungsberatung oder auch mit Sprachkursen. Bei einer Frau seien dafür knapp 20.000 Euro aufgewendet worden, in einem vergleichbaren Fall seien für nachträgliche Maßnahmen 368.000 Euro nötig gewesen. Für Biach ist das ein Beleg: "Investitionen in die Menschen rechnen sich."

Geburtsgewicht wichtig

Nach dem WU-Bericht zeigt sich, dass der Gesundheitszustand eines Kindes bei der Geburt gemessen am Geburtsgewicht eine wichtige Rolle spielt, was dessen künftigen sozioökonomischen Status mit Bildung oder Einkommen betrifft. Benachteiligt sind demnach Kinder mit weniger als 2500 Gramm Geburtsgewicht später bei Bildung und Einkommen, wie internationale Studien zeigten.

Die Maßnahmen der Sozialversicherungen und Länder sollen früh ansetzen, damit nicht ungleiche soziale Strukturen weitervererbt werden. Der WU-Befund weist darauf hin, dass gut ausgebaute Gesundheitssysteme als "Puffer" fungieren können. Dadurch werde der Zusammenhang zwischen - schlechtem - Sozialstatus der Mutter und Geburtsgewicht abgeschwächt.

Hacker und Drexler verwiesen auch auf die Bedeutung der Kommunikation erwachsener Patienten. In der Steiermark läuft dazu ein Projekt, Menschen zu ermutigen, Fragen an Ärzte zu stellen.