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"Brecht ihnen die Knochen"

Von WZ-Korrespondentin Agnes Tandler

Politik

Von allen Ländern Südasiens hat Indien die größte Pressefreiheit. Dennoch werden Journalisten verprügelt, eingesperrt und mit dem Tode bedroht.


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New Delhi. "Brecht ihnen die Knochen, nachdem ihr ihre Handys zerbrochen habt," riefen die Schlägertrupps und prügelten auf Amit Pandey ein. Pandey, der für den privaten TV-Sender IBN7 arbeitet, wurden alle Kleider vom Leib gerissen wurden, als im Februar ein rechtsradikaler Mob bei einer Gerichtsverhandlung gegen Studentenführer in New Delhi auf Anwälte und Reporter eindrosch. Die Polizei schaute tatenlos zu.

Sindhu Sooryakumar, eine bekannte Fernsehmoderatorin im südindischen Bundesstaat Kerala, berichtete von über 2000 Drohanrufen, die sie Ende Februar erhielt, nachdem sie in ihrer Sendung "Cover Story" über die Studentenproteste im Lande berichtet hatte. Rechtsnationalistische Gruppen, die der rechtskonservativen, hindu-nationalistischen Regierung in New Delhi nahestehen, teilten ihre persönliche Telefonnummer in sozialen Netzwerken mit der Aufforderung, die Journalistin zu belästigen, und streuten das Gerücht, dass die Moderatorin als Prostituierte im Rotlichtmilieu arbeite. "Dies ist ein organisiertes Verbrechen", empörte sich Sooryakumar.

Politik schaut weg oder übt selbst Druck aus

"Journalisten und Blogger werden von verschiedenen religiösen Gruppen angegriffen und eingeschüchtert", kritisiert die Organisation "Reportern ohne Grenzen" (RSF). Im Weltpressfreiheits-Index, der jährlich von RSF erstellt wird, rangiert Indien 2016 nur auf Platz 133 von 180 Ländern. Die Regierung unter Premierminister Narendra Modi scheine "gleichgültig" gegenüber den Bedrohungen, denen Indiens Medienvertreter ausgesetzt seien.

Besonders gefährlich leben Journalisten, die über politische Korruption, politische Aufständische und den illegalen Rohstoff-Abbau berichten. Im Februar wurde der 28-jährige Karun Mishra im Bundesstaat Uttar Pradesh in seinem Auto von drei Männern auf Motorrädern erschossen. Der Mord war von einem Geschäftsmann in Auftrag gegeben worden, dessen Firma illegal Bodenschätze abbaute. Mishra hatte darüber in einer lokalen Zeitung berichtet.

Das in New York ansässige Komitee für den Schutz von Journalisten (CPJ) warnte Ende März davor, dass sich die Bedingungen für Medienvertreter in Indien verschlechterten. Laut der Organisation sind seit 1992 in Indien 38 Journalisten auf Grund ihrer Arbeit getötet worden. Fast alle davon waren Lokalreporter, die mehrheitlich über Politik und Korruption berichteten.

Besonderes Augenmerk gilt in diesem Jahr zudem den Reportern, die den maoistischen Aufstand im zentralindischen Bundesstaat Chhattisgarh covern. Dort war Ende März bereits der zweite Journalist in diesem Jahr inhaftiert worden. Die so genannten Naxaliten-Bewegung führen bereits seit Ende der 1960er Jahren einen bewaffneten Aufstand gegen die Zentralregierung. Auch die Arbeit von Reportern in der umstrittenen Kaschmir-Region wird immer wieder systematisch behindert, ebenso wie Berichte aus Manipur, einem Bundesstaat im abgelegenen Nordosten des Landes, in dem seit 1958 der Ausnahmezustand ausgerufen ist und das wie Kaschmir unter einer drakonischen Militärregierung steht. Ausländischen Korrespondenten werden Reisen in diese Teile Indiens oft komplett verwehrt.

Dennoch steht Indien bei der Pressefreiheit im Vergleich zu seinen Nachbarländern noch gut da. Sri Lanka, Bangladesch und Pakistan beschränken die Arbeit von Journalisten weitaus stärker. In Pakistan ist das mächtige Militär ein Tabu für die Medien. Dazu kommt die Bedrohung durch radikal-islamische Terrorgruppen, ebenso wie in Bangladesch, wo in den vergangenen Jahren zahlreiche Blogger und Herausgeber von Islamisten brutal ermordet worden sind.